24. 3. 2023
creative.talk

Oliver Kuschel
Anthropia gGmbH / Impact Factory

Seit 2018 ist Oliver Kuschel Co-Founder und Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH Anthropia. Sie ist die Trägergesellschaft der Impact Factory, des größten deutschen Inkubators und Accelerators für wirkungsorientierte bzw. ökosoziale Start-ups. Zudem ist er Mitglied der Jury für unseren neuen Wettbewerb creative.projects.
Oliver Kuschel berät und betreut bereits seit über zwanzig Jahren Start-ups und innovative Unternehmensgründungen aus verschiedenen Branchen. Er unterstützt vor allem bei den Themen rund um Finanzierung, Geschäftsmodelle und Geschäftsentwicklung. Seine Expertise umfasst zudem die Bereiche Strategie, Managementberatung, Organisationale Führung und Risikokapital. Er hält Workshops und Vorlesungen im Impact- und Start-up-Sektor und fungiert als Redner und Moderator bei namhaften (Groß-)Veranstaltungen.

 

Mit der Anthropia gGmbh haben Sie gemeinsam mit Dirk Sander eine „Heimat für Zukunftsmacher:innen“ gegründet. Im Rahmen der Impact Factory unterstützen Sie Sozialunternehmer:innen, die mit ihren innovativen Geschäftsideen an der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen arbeiten. Wie wichtig sind soziale Innovationen für eine lebenswerte Zukunft? 

Wir werden mittlerweile alltäglich damit konfrontiert, welche Konsequenzen – sozial oder ökologisch – ein „Weiter so“ bei unserem wirtschaftlichen Handeln mit sich bringt. Soziale Innovator:innen zeigen uns Lösungen, um an vielen einzelnen Stellschrauben zu justieren. Unsere Aufgabe ist es, ihnen den Raum und die Ressourcen zu verschaffen, sodass aus einer Neuerung ein Standard für eine lebenswerte Zukunft werden kann. Wir sollten also diese Projekte nicht als nette Aktionen am Rande oder nur als Charity betrachten, sondern als eine Notwendigkeit für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel.

Sie haben lange Zeit als Finanzberater in der klassischen Wirtschaft gearbeitet, wo meist der Profit im Mittelpunkt steht. Bei Sozialunternehmen steht hingegen das Gemeinwohl im Vordergrund. Trotzdem ist ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell nötig, also „Profit“ und „Purpose“. Wie geht das zusammen? 

Dass ein Profit oder mindestens ein ausgeglichener Cash Flow erwirtschaftet wird, ist auch für Sozialunternehmen eine grundlegende Voraussetzung für eine längerfristige Existenz. Ein Jahresüberschuss ist und bleibt einer der Mehrwerte, die durch das Unternehmertum geschaffen werden. Ganz entscheidend ist aber, was mit diesen Profiten geschieht. Sie dürfen keinen Selbstzweck für die Gesellschafter erfüllen, sondern sollten als Motor für die Wirkung gesehen werden: Größerer wirtschaftlicher Erfolg = mehr Impact! Daher achten auch wir bei unserer Auswahl der Start-ups darauf, ob ihre Geschäftsmodelle skalierbar sind. Wenn Profit und Purpose einhergehen, schaffen wir gleichermaßen eine stabile wirtschaftliche Basis und das Potenzial für größtmögliche Wirkung.

Wo liegen die größten Herausforderungen bei wirkungsorientierten Start-ups und wie werden sie dabei in der Impact Factory unterstützt? 

Grundsätzlich bewegen auch Impact Start-ups die gleichen Herausforderungen wie ihre klassisch profitorientierten Zeitgenossen: Geschäftsmodell-Entwicklung, Finanzierung, Marktzugang, Marketing, die Vernetzung mit den richtigen Partnern. Besonders das Thema Finanzierung gewinnt jedoch an Komplexität hinzu, wenn Wagniskapital keine bzw. nur eine eingeschränkte Option ist oder soziale Modelle sich nicht durch ihre eigentlichen Kunden finanzieren, sondern durch Dritte (z.B. Stiftungen oder die öffentliche Hand). Oft entstehen bei uns auch hybride Geschäftsstrukturen, die Gemeinnützigkeit und ihre Gewinnerwirtschaftung strukturell voneinander trennen. Als Impact Factory eröffnet unser Ökosystem neben Zugang zu Banken, VCs oder Business Angels auch Optionen z.B. zum dritten Sektor, um auch soziale Modelle bestmöglich zu unterstützen.

Das Stipendienprogramm besteht nun seit vier Jahren. Welches soziale Geschäftsmodell hat Sie besonders beeindruckt? 

Richtig gute Geschäftsmodelle können einen unglaublich simplen Kern haben: Das beweist bspw. der erste gemeinnützige Versicherungsmakler „good24“. Das Start-up agiert als Online-Versicherungsvermittlung und nutzt seine Maklercourtagen, also den üblichen Profit der Branche, um damit nachhaltige und soziale Projekte/Start-ups zu unterstützen. Welche Projekte unterstützt werden, kann dabei jeder Versicherungskunde selbst entscheiden. Ein Impact, der auch völlig ohne ein „Green Premium“ auskommt, da das Geld ohnehin bereits fließt – ansonsten jedoch in die Taschen der profitorientierten Makler. Das Konzept, bestehende Industrien umzukrempeln und Profite umzulenken, zapft so den bestehenden Maklercourtagenmarkt (20 Mrd. Euro p.a.) an. Das Potenzial einer Idee wie der von good24 hat daher ein riesiges Skalierungspotenzial.

Wir freuen uns, dass Sie Ihre Erfahrungen auch als Jurymitglied in die Auswahl der creative.projects einbringen. Hier suchen wir explizit innovative kreativwirtschaftliche Projekte, die einen sozial-ökologischen Impact schaffen. Welches Potenzial hat Ihrer Meinung nach die Kultur- und Kreativwirtschaft, um gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken? 

Kreative Projekte und Ideen bergen besonders viel Potenzial, wenn es zum einen darum geht, Probleme oder Chancen sichtbar zu machen und zum anderen, Menschen Teilhabe zu ermöglichen. Kultur treibt gesellschaftliche Veränderung und kann auch diejenigen als Multiplikator erreichen, die sich bestimmten Probleme und Themen überhaupt nicht bewusst sind. Kreative Unternehmer:innen leisten ihren Beitrag also vor allem durch das Abbauen von (strukturellen) Hürden und können auf diese Weise die Menschen gleichberechtigt an einen Tisch bringen.

Was wünschen Sie sich von den kreativen Unternehmer:innen der Zukunft? 

Ihr habt in vielerlei Hinsicht eine umso schwierigere Aufgabe, eure Ideen und Projekte zum Fliegen zu bringen – sei es z.B. durch eine unklare Finanzierung. Ich möchte euch den Mut zusprechen, an eurer Vision dranzubleiben, da es definitiv die richtigen Unterstützungswege gibt. Das erleben wir immer wieder im Rahmen der Impact Factory oder durch Initiativen wie diese hier. Bleibt hartnäckig, denn Impact rules!

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