11. 7. 2019
creative.talk

Margrit Miebach
artrmx e.V.

Seit 2010 ist Margrit Miebach als Vorständin im Kunstverein artrmx e.V. aktiv, der 2017 als CREATIVE.Space ausgezeichnet wurde. In den letzten Jahren beschäftigte sie sich mit einer Vielzahl, insbesondere fachübergreifender und interdisziplinärer Projekte. Neben ihren Aufgaben innerhalb ihrer Vorstandstätigkeiten ist sie Mitinitiatorin des CityLeaks Urban Art Festivals, von TRANSURBAN und des Atelierzentrums Ehrenfeld. Margrit Miebach verfügt über langjährige Erfahrungen im internationalen Kunst- und Kulturbereich und arbeitet vor allem an der Schnittstelle zwischen Kuration, künstlerischer Praxis und wissenschaftlicher Forschung.

Das CityLeaks Festival hat sich international zu einem der bedeutendsten Festivals für urbane Kunst und Kultur entwickelt und findet dieses Jahr bereits zum fünften Mal statt. Was macht es so besonders?

CityLeaks ist ein Kunstfestival, das im öffentlichen Raum stattfindet und somit mitten im Alltagsgeschehen der Menschen zu spüren und erleben ist. Künstlerische Interventionen aus der bildenden, angewandten und darstellenden Kunst internationaler, nationaler wie lokaler Künstler*innen zeichnen das künstlerische Programm von CityLeaks aus. CityLeaks versteht sich als ein Festival, das Themen rund um Stadt, Kunst und Gesellschaft aufgreift und eine interdisziplinäre Auseinandersetzung damit anregen und fördern möchte. Es geht vor allem auch darum, Teilhabe zu ermöglichen und Impulse für den Umgang, die Nutzung und Gestaltung des öffentlichen Raums zu setzen. Kunst kann hierbei einen gemeinsamen Raum – einen Common Space – schaffen und dazu beitragen, die Bedürfnisse, Herausforderungen oder Wünsche, die in einer Gesellschaft versteckt oder offen liegen, zu identifizieren und zu kommunizieren.

Welches Ziel verfolgen Sie mit der Ausrichtung des Festivals, und wie hat sich das Festival über die Jahre entwickelt? 

Seit der ersten CityLeaks-Ausgabe im September 2011 ist der öffentliche Raum Aktionsort des Festivals. Von Beginn an spielte die künstlerische Intervention als Form der Aneignung eine zentrale Rolle in der Ausrichtung des Festivals. Nachdem in 2011 die Malerei in Form großformatiger Murals im Blick der Kuration stand, wurden 2013 weitere Positionen aus der darstellenden, bildenden und angewandten Kunst in das  künstlerische Line-up des Festivals aufgenommen. Seit 2015 haben wir unseren Fokus in Richtung einer interdisziplinären Auseinandersetzung mit Stadt, Gesellschaft und Kunst weiterentwickelt. Interventionen im öffentlichen Raum, stadttheoretische Diskurse, Stadtforschung, ortsspezifische Kunstprojekte oder partizipatorische Formate bilden dies u.a. im Programm des Festivals ab. Als Kunstfestival möchten wir Impulse setzen und durch die Kunst und das vermittelnde Programm einen Festivalraum schaffen, der gleichzeitig Diskurse anregt sowie Austausch und Teilhabe ermöglicht.

Welche Rolle spielt Köln als Standort für ein Urban-Art-Festival?  

Köln ist eine Stadt, die wächst und viele junge Leute anzieht. Und vor allem gibt es in Köln eine sehr aktive freie Kulturszene, die untereinander sehr gut vernetzt ist, gemeinsam Projekte ins Leben ruft und somit einen wichtigen Beitrag für das kulturelle Angebot in Köln leistet. Auch die Nähe zu Belgien, den Niederlanden, Frankreich oder Luxemburg fördert einen regen kulturellen Austausch, der seit vielen Jahren existiert und gefördert wird.

Welche Urban-Art-Festivals in anderen Ländern oder Städten nehmen Ihrer Meinung nach eine Vorbildfunktion ein und inspirieren Sie bei Ihrer Arbeit? Gibt es bereits Netzwerke und internationale Kooperationen in diesem Feld, und wie sehen diese aus?

Die Vernetzung mit Akteur:innen aus der weltweiten Urban-Art-Szene ist für CityLeaks sehr wichtig. Hier findet ein fachlicher Austausch statt, Kooperationsprojekte werden gemeinsam initiiert und umgesetzt sowie die Popularisierung und Forschung zu Urban Art zusammen vorangetrieben. Dies passiert u.a. auf Fachkongressen, durch Publikationen, Gesprächsrunden, Kunstprojekten. CityLeaks ist Teil eines stetig wachsenden weltweiten Urban-Art-Netzwerkes. Mit einigen europäischen Akteur*innen wie u.a. dem Asalto Festival aus Spanien oder Bien Urbain aus Frankreich war CityLeaks in dem europäisch geförderten Projekt „Recover the Streets“ vertreten. Erst im Mai dieses Jahres lud CityLeaks weitere europäische Festivals und Institutionen wie das Nuart Festival aus Norwegen oder KUFA Urban Art aus Luxemburg nach Köln zu einem Kongress ein, in dem es um das Archivieren von Urban Art ging.

Das diesjährige CityLeaks Festival beschäftigt sich u.a. mit dem Strukturwandel in Ehrenfeld und der Identität des Stadtteils. Wie in vielen anderen Städten herrscht auch in Ehrenfeld ein stetiger Kampf um Kulturräume. Warum tun sich Städte so schwer mit der Bereitstellung von Räumen für kulturelle Angebote? Was sind für Sie die größten Herausforderungen, und was müsste dringend (seitens der Politik) passieren?

Viele solcher Räume sind in privater Hand, und somit spielen die Interessen, die z.B. ein Investor vertritt, dabei auch immer mit hinein. Dies macht die Sache oft sehr schwierig, denn wenn ein Besitzer eher kommerzielle Interessen hat, fallen die Möglichkeiten einer kreativen Nutzung oft weg. Das Beste wäre sicherlich, wenn es Städte schaffen, ihre Grundstücke oder Gebäude in ihrem Besitz zu halten und nicht zu verkaufen. Dies wäre auch für nachhaltigere und sozialere Projekte in Stadtentwicklung und -planung eine gute Ausgangsbasis.

Inwieweit kann ein Kunstfestival einen produktiven Dialog dazu fördern? 

Die Herausforderungen für ein Kunstfestival liegen darin, einen Dialog zwischen den einzelnen Interessen anzuregen, der auch noch nach dem Festival eine eigene Dynamik entwickelt. Kunst kann Teilhabe ermöglichen und eine kreative Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen anregen und einen produktiven Dialog in Gang setzen. Daher ist es auch wichtig, Freiräume für Kunst und Kultur zu schaffen und zu erhalten. Hierbei könnten auch Förderprogramme helfen, die über eine Projektförderung hinausgehen, um die Strukturen, in denen Kulturschaffende agieren und wirken zu stärken.

Am 9. August startet der Bau der Festivalzentrale in den Bahnbögen auf der Hüttenstraße. Welche Erkenntnisse fließen dabei ein? Wie werden die Bürger einbezogen, und welche Handlungsfelder wurden im Austausch mit den Menschen vor Ort identifiziert?   

Im Mai haben wir mit TRANSURBAN „re:build – building common spaces“ ein interdisziplinäres Stadtforschungsprojekt in der Hüttenstraße in Köln-Ehrenfeld umgesetzt. Ein Forscherteam aus Urbanist:innen, Architekt:innen, Designer:innen und Kulturwissenschaftler:innen hat sich drei Wochen lang mit der Hüttenstraße und den Bahnbögen beschäftigt. Das Projektbüro lag in einem der Bahnbögen vor Ort, wodurch viele Kontakte zur Nachbarschaft entstehen konnten. Viele Anwohner:innen haben ein großes Interesse daran, die Bahnbögen wiederzubeleben – sie haben dies auch am 22. Juni mit dem Bogenfest in der Hüttenstraße an die Öffentlichkeit herangetragen und möchten auch langfristig eine Wiederbelebung der Bahnbögen vorantreiben.
Die Einflüsse aus der Residenz fließen in den Bau des Festival Centers nun mit ein. Zusammen mit dem Architekturkollektiv Orizzontale aus Rom und Hanno Mühlenbach kann jede:r mitmachen, erste Utopien für die Bahnbögen in Form von temporären Architekturen zu realisieren. Im Anschluss daran folgt mit dem CityLeaks Urban Art Festival vom 31. August bis zum 21. September ein intensives Programm mit Kunst, Public Dinner, Workshops, Gesprächen, Musik und vielem mehr.  Die Straßen und Bahnbögen in Ehrenfeld werden in einen Common Space verwandelt, der gestaltet, gelebt und entdeckt werden kann und wo vor allem der Dialog weitergeführt und gefestigt werden kann.

Das CityLeaks Festival findet meist an unterschiedlichen Orten in Köln statt, 2017 wurde es am Ebertplatz ausgetragen. Nach welchen Kriterien werden die Stadtteile ausgewählt? Und gibt es schon Pläne oder ein Konzept für zukünftige Ausgaben des Festivals? 

Als Kölner Kulturakteur:innen sind wir sehr interessiert an stadtpolitischen Themen und Prozessen der Stadtentwicklung und -planung. Die Beschäftigung damit sowie auch der Dialog und Austausch mit anderen kulturpolitischen Akteur:innen ist auch nach dem Festival ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Die Auswahl für einen Stadtteil ergibt sich oft aus unterschiedlichen Impulsen und thematischen Interessen, die wir verfolgen. So lag uns 2017 das Thema „Sharing Cities“ im Hinblick auf Raum und Konsum sehr am Herzen. Ein Viertel in der Innenstadt, das wenig Freiräume, diverse Interessen, enge Wohnbebauung und Konsum mit sich bringt, erschien uns da als geeigneter Ort, dieses Thema auch räumlich widerzuspiegeln. Zentral für jede Ausgabe des Festivals ist der ortsspezifische Bezug, den wir in unserer Auseinandersetzung mit Stadt und in der Planung von CityLeaks immer mitdenken.

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