28. 1. 2023
creative.talk

Katrin Kappenberger
KreativLandTransfer

Katrin Kappenberger hat Kulturwissenschaften und Nonprofit-Management & Public Governance studiert. Nach zwei Jahren als kuratorische Assistentin an der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig war sie von 2018 bis 2020 als Projektleiterin des Deutschen Pavillons auf der Venedig Biennale tätig. 2020 übernahm sie die  Projektleitung bei KreativLandTransfer.
In der ersten Phase von KreativLandTransfer wurden sechs kultur- und kreativwirtschaftliche Projekte als Beste-Praxis-Partner:innen ausgewählt, die ihre Erfahrungen in sogenannten Transferkonzepten dokumentiert haben. Daraus entstanden ist eine digitale Wissensplattform, die sowohl für Beteiligte als auch für Nachahmer:innen frei zugänglich ist.
In der zweiten Phase wurden zwölf Tandemprojekte, u.a. LaborPhasen aus Rheinbach in NRW, in einem Mentoring-Programm von den Beste-Praxis-Projekten betreut, um ihr Vorhaben auf den Weg zu bringen. So entstand Unterstützung für kreativwirtschaftliche Projekte in ländlichen Gebieten, die als Vorbild für andere Akteur:innen fungieren.
creative.nrw hat das Projekt als Partnerorganisation begleitet. KreativLandTransfer wurde gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung (SMR) hat das Projekt im Rahmen der Zukunftsinitiative simul+ unterstützt.

Foto: Christian Hüller

 

Am 25. Januar wurden drei Jahre KreativLandTransfer gemeinsam mit allen 18 Projekten in Eschwege gefeiert. Wenn Sie heute auf diese Zeit zurückschauen, welches sind die spannendsten Erkenntnisse?   

Eine zentrale Erkenntnis für uns ist, dass der Wunsch nach Austausch unter den Akteur:innen wahnsinnig groß ist. Sich mit anderen zu vernetzen und auch zu vergleichen, hat eine enorm stabilisierende Wirkung. Der Blick nach außen („Wie machen es die anderen?“) führt dazu, dass man automatisch den Blick nach innen richtet und mit Offenheit hinterfragt, wo man eigentlich selbst steht und wie man dort hingelangt ist. Der Wissensaustausch führt also dazu, dass alle Beteiligten voneinander lernen können – sowohl die „alten Hasen“ als auch die jüngeren Projekte, die noch am Anfang stehen. Also eine absolute Win-win-Situation.
Darüber hinaus war es interessant zu sehen, dass die Projekte, egal ob im Erzgebirge oder im Schwarzwald, mit ähnlichen Fragestellungen und Herausforderungen konfrontiert sind.

Was sind konkrete Themen und Herausforderungen von kreativen Projekten im ländlichen Raum? Worin unterscheiden sie sich von denen im urbanen Umfeld?  

Akteur:innen, die im ländlichen Raum ein Projekt auf die Beine stellen wollen, sind mit einem bunten Strauß an Themen konfrontiert. Das fängt an bei der Suche nach passionierten Mitstreiter:innen, die nicht nur die Idee unterstützen, sondern auch zuverlässig und dauerhaft mit anpacken wollen. Das kann in dünn besiedelten ländlichen Räumen durchaus eine große Herausforderung sein. Daneben ist es enorm wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger als in urbanen Räumen, die lokale Bevölkerung mit ins Boot zu holen. Ohne eine Verankerung in der Gesellschaft haben es Projekte schwer, zu bestehen und erfolgreich zu sein. Neben diesen zwischenmenschlichen Aspekten geht es auch um knallharte Fakten. Viele Akteur:innen bespielen konkrete Orte – zum Teil wunderschöne leerstehende Industrieanlagen. Der Zugang dazu ist mitunter niedrigschwelliger, da die Konkurrenz kleiner ist als in urbanen Räumen. Doch die Herausforderungen, die damit einhergehen, sind nicht von der Hand zu weisen. Viele Projekte sind oftmals mit wenig finanziellen Mitteln und Know-how im Bereich Architektur / Bauwesen ausgestattet und müssen alles gleichzeitig machen: Förderungen beantragen, niedrigschwellig sanieren, Veranstaltungen organisieren, sich vernetzen (sowohl mit der lokalen Bevölkerung als auch der kommunalen Verwaltung), Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vorantreiben und vieles mehr.
Genau aus diesem Grund wurde KreativLandTransfer ins Leben gerufen – um Akteur:innen zu vernetzen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie mit ihren Herausforderungen nicht alleine sind. Der gemeinsame Austausch ist für alle Beteiligten wahnsinnig hilfreich und gewinnbringend.

Ein Beste-Praxis-Partner war unser Creative.Space Haldern Pop. Nach welchen Gesichtspunkten wurden die Tandems gebildet? Und können Sie an diesem Beispiel beschreiben, wie das Mentoring ablief: In welchen Bereichen war die Unterstützung besonders notwendig bzw. hilfreich?  

Die Tandemprojekte hatten im Vorfeld die Möglichkeit, sich für eins der sechs Beste-Praxis-Projekte zu entscheiden und ihre Bewerbung entsprechend danach auszurichten. Unsere siebenköpfige Jury bildete dann die eigentlichen Trios (ein Beste-Praxis-Projekt und zwei Tandemprojekte). Dabei ging es weniger um die größtmögliche Schnittmenge als um Kriterien wie Motivation, den angestrebten Beitrag zur Regionalentwicklung, das Alleinstellungsmerkmal oder den beteiligungsorientierten Ansatz. Diese sollten sicherstellen, dass die Projekte es ernstmeinen und sich nicht als UFOs verstehen, die irgendwo landen und entkoppelt sind von den lokalen Strukturen, sondern das eigene Umfeld aktiv mitgestalten wollen.
Genau das kann Haldern Pop besonders gut. In fast 40 Jahren hat sich Haldern Pop eine riesige lokale Unterstützer:innenstruktur aufgebaut und weiß, wie man die Menschen vor Ort so einbezieht, dass sie sich als Teil des Prozesses fühlen. Und das ist nur einer von vielen Aspekten, die das Team um Stefan Reichmann den beiden Tandemprojekten Kinett 6K aus Kusel und der KunstWerkStadt aus Ebersbach-Neugersdorf vermitteln konnte. Daneben konnte Haldern Pop natürlich auch viele Tipps finanzieller, organisatorischer und struktureller Natur weitergeben.  Im Laufe der eineinhalb Jahre gab es viele Vor-Ort-Treffen, Online-Meetings, Telefonate und gemeinsame Workshops. Und es sind sogar Freundschaften entstanden, die über die Projektlaufzeit von KreativLandTransfer bestehen werden – das ist für uns natürlich die größte Belohnung!

In den 18 beteiligten Projekten sind unterschiedlichste kreative und kulturelle Bereiche vertreten, von Textilforschung, Handwerk und Gebäude-Transformation über Nachhaltigkeit, Bildung und Kreislaufwirtschaft bis hin zur klassischen Kunst- und Kulturarbeit. Welche Rolle spielt dabei das Thema Cross-Innovation? 

Cross-Innovation spielt für viele unserer Projekte eine wichtige Rolle. Beispielsweise verwendet das Upcycling-Zentrum UpZent industrielle Reststoffe, um neue Produkte herzustellen. Doch Cross-Innovation war kein zentrales Ziel von KreativLandTransfer – für uns stand der Wissenstransfer im Vordergrund. Ab März 2023 soll sich das aber ändern …
Durch die Transferkonzepte ist eine beeindruckende Wissensplattform entstanden. Was können kreative Akteur:innen von den gesammelten Erkenntnissen mitnehmen?
Auf der Wissensplattform kann man niedrigschwellig und spielerisch die wichtigsten Erkenntnisse aus drei Jahren KreativLandTransfer mitnehmen – und das auch über die Projektlaufzeit hinaus. Mittlerweile haben wir die Plattform überarbeitet und um die Erfahrungen der Tandemprojekte erweitert. Mithilfe von Fotos, Videos, Texten und Podcasts können Interessierte nun nicht nur die einzelnen Projekte kennenlernen, sondern auch die zentralen Bausteine unseres Tandemprogramms und die wichtigsten Learnings, Not-To-Dos oder Tipps aus Sicht der Projekte nachvollziehen.

Wie geht es weiter? Ist eine Fortsetzung von KreativLandTransfer geplant?  

Wir freuen uns sehr, sagen zu können, dass KreativLandTransfer fortgeführt wird – in abgeänderter Form. Wir richten ab März 2023 den Blick nach Europa und wollen herausfinden, in welchen ländlichen Bereichen Cross-Innovation stattfindet und gut funktioniert, also wo Kultur- und Kreativschaffende mit kleinen und mittelständischen Unternehmen zusammenkommen, um die regionale Wertschöpfung voranzutreiben. Wir wollen eine Datenbank anlegen und die Beteiligten nach ihren Erfolgsfaktoren einer guten Zusammenarbeit befragen. Alle Erkenntnisse und Informationen sollen wieder auf unserer Wissensplattform Interessierten zur Verfügung gestellt werden. Ab März gibt es hierzu genauere Infos – also folgt uns gerne auf Social Media oder besucht unsere Website!

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