21. 6. 2020
creative.talk

Jan-Paul Laarmann
Tourismus NRW e.V.

Seit acht Jahren treibt Jan-Paul Laarmann bei Tourismus NRW e.V. kultur- und städtetouristische Projekte wie #urbanana voran, zurzeit als Gesamtprojektleiter von FLOW.NRW. Zuvor hatten ihn nach dem ersten Staatsexamen berufliche Ausflüge zu seinem Lieblingsfestival Ruhrtriennale und in die Berliner Start-up-Welt verschlagen. Lehrer wird er wahrscheinlich nicht mehr. Im CREATIVE.Talk sprachen wir mit ihm über den urbanana-Award, das Projekt FLOW.NRW – vor und während der Corona-Krise – sowie die Potenziale, die Kreativ-, Digital- und Tourismuswirtschaft im Zusammenschluss erzeugen.

EDIT: Seit Oktober 2020 ist Jan-Paul Laarmann als Innovationsmanager Kreativwirtschaft bei der KölnBusiness Wirtschaftsförderungs-GmbH tätig.

Mit dem Projekt #urbanana hatten Tourismus NRW und seine Partner Düsseldorf Tourismus, KölnTourismus und Ruhr Tourismus ab 2016 den Stadtdschungel vom Rheinland bis ins Ruhrgebiet als kreative Metropolregion und sehenswertes touristisches Ziel ausgerufen und vermarktet. Seit September 2019 läuft das Folgeprojekt FLOW.NRW. Was hat es damit auf sich?

FLOW.NRW ist die folgerichtige Weiterentwicklung von #urbanana, die den sektorübergreifenden Ansatz auch auf die Digitalwirtschaft in NRW ausweitet. Dazu bewegen wir uns noch konsequenter und internationaler weiter weg vom klassischen Tourismusmarketing hin zu einer umfassenden Standortkommunikation für Nordrhein-Westfalen. Der Name nach außen bleibt mit dem auf die Form der Rhein-Ruhr-Metropole bezogenen urbanana aber derselbe – nur den modischen Hashtag haben wir jetzt nach drei Jahren wieder abgelegt.

Ein Schwerpunkt beim Projekt #urbanana lag in der Kooperation zwischen Tourismus- und Kreativwirtschaft. Hat sich das erhoffte Potenzial bestätigt? Und können Sie ein erfolgreiches Beispiel nennen?

Das Potenzial hat sich bestätigt, wird aber noch lange nicht ausgeschöpft. Nehmen wir das Beispiel Düsseldorf, wo viele Ideen direkt im Stadtraum umgesetzt worden sind: Unser Online-Musikführer „The Sound of #urbanana“ findet sein analog-lokales Gegenstück in der regelmäßigen Stadtführung „The Sound of Düsseldorf“ auf den Spuren u.a. von Kraftwerk und den Toten Hosen, nach unserem Symposium zum Thema Urban Art & Tourismus ist in Kooperation mit der Galerie Pretty Portal die erste Urban-Art-Führung entstanden, und seit ihrem Gewinn des urbanana-Awards führt die Modedesignerin Marion Strehlow zu kleinen Ateliers und Werkstätten abseits der Kö.

Auch die NRW-Tourismusbranche hat sich der Popkultur und der Kreativwirtschaft in den letzten Jahren gegenüber weiter geöffnet. Schaut man sich die Neugründungen von Stadthotels in Essen, Düsseldorf oder Köln an, sieht man, wie zunehmend auch lokale Kreative in die Gestaltung und das Veranstaltungsprogramm einbezogen werden. Dazu entstehen in vielen Häusern neuartige Räume zwischen Lobby, Coworking Space und Bühnenraum, in denen sich Gäste und Szene mischen, in denen gegessen, gearbeitet, gedatet und gefeiert wird. Es beweist sich: Erfolgreiche Hotels leben auch von der kreativen Aura ihrer Standorte und damit letztlich auch von den Kreativen, die diese erzeugen.

Bei FLOW.NRW bildet zusätzlich die Digitalwirtschaft eine dritte große Säule. Die Digitalisierung macht also auch vor dem Tourismus nicht Halt. Welche Rolle spielt die digitale Szene für kurze Besuche oder auch lange Aufenthalte in anderen Regionen?

Die Beziehung von Digitalszene und Tourismus liegt nicht sofort auf der Hand. Selten ist die Digitalszene ein klassisches Reiseziel. Am plakativsten ist das vielleicht noch in Kalifornien so, wo viele einen Trip zum ikonischen Apple Park von Norman Foster unternehmen. Es muss aber keine High-Tech-Architektur sein, die anzieht. Meist sind es die urbanen Biotope, die entscheidend durch diese liberale Szene mitgeprägt werden und die dadurch auch für Besucher ihre Attraktivität gewinnen. Ein Mix aus oft auch experimenteller Gastronomie und ungewöhnlichem Einzelhandel, garniert mit neuartigen Räumen, sogenannten „Third Spaces“ wie Coworking Spaces, Fablabs oder Campus, ist in erster Linie für nomadische Digitalarbeiter interessant, wird aber auch von einem breiteren Publikum als inspirierend empfunden. Die Grenzen verfließen hier zwischen Arbeit und Freizeit, aber auch zwischen Digital- und Kreativwirtschaft.

Das Thema der Corona-Krise lässt sich zurzeit nicht vermeiden, vor allem da die Tourismuswirtschaft, wie auch die Kultur- und Kreativwirtschaft, zu den am stärksten betroffenen Branchen gehört. Wie wirkt sich die Pandemie auf Ihre Arbeit und das Projekt aus? Was sind Ihre Hoffnungen für die weitere Entwicklung?

Wir haben vor allem im Bereich der Veranstaltungen und internationalen Maßnahmen natürlich sehr viel verschieben oder ausfallen lassen müssen. Wir konzentrieren uns jetzt darauf, im Herbst mit zahlreichen Maßnahmen unseren Beitrag zu einer Erholung im Tourismus zu leisten – dann aber zunächst eher in den Niederlanden und im Frankfurter Raum als in China und den USA. Abhängig von der Entwicklung der COVID-19-Lage haben wir unterschiedliche Szenarien entwickelt, wie wir weiter das Projekt verantwortungsvoll umsetzen können. Glücklicherweise ist nach heutigem Stand vieles im Bereich Hotellerie und in der Gastronomie wieder möglich. Trotzdem klaffen schmerzhafte Lücken im Erlebnisangebot, das betrifft Locals wie Gäste, aber besonders natürlich die existenzbedrohten Teile der Kreativwirtschaft, vom Clubbetreiber bis zum Kleinkünstler selbst. Trotz allem wollen wir unsere Botschaft einer Metropolregion, in der man sich ins Treiben wirft, sich schnell unter neuen, kreativen und interessanten Menschen wohlfühlt, hochhalten – jetzt bis auf Weiteres halt mit anderthalb Metern Abstand.

Der urbanana-Award wurde diesen Monat zum dritten Mal ausgeschrieben, und wir freuen uns, dass CREATIVE.NRW wieder Partner ist. Gibt es hier Neuerungen? Wer kann sich bewerben, und was erwartet die Gewinner:innen?

Für den urbanana-Award können sich Teams oder Einzelpersonen mit guten Ideen für den kreativen Städtetourismus in NRW bewerben. Die Definition ist dabei bewusst weit gefasst, um möglichst vielen spannenden Projekten den Zugang zum urbanana-Award zu ermöglichen. Die Projekte müssen eine Verbindung zur Kreativ- und Digitalwirtschaft haben und von Gästen erlebbar sein. Dazu müssen sie in einer Großstadt in NRW durchgeführt werden. Als Besonderheit dürfen sich beim urbanana-Award sowohl Träger laufender und abgeschlossener Projekte bewerben, als auch Menschen, die noch mit großen Ideen schwanger gehen. Für die ausgezeichneten Projekte stehen sechs Mal 4.000 Euro Preisgeld zur Verfügung. Natürlich werden die Projekte auch über die Preisverleihung im November hinaus weiter vom Projekt urbanana begleitet und kommuniziert.

Einen ganz besonderen Stellenwert hat dieses Jahr der Sonderpreis der Greyfield Stiftung: Der Projektentwickler stellt eine 175 qm große, teilmöblierte Bürofläche zur Verfügung, die ein Gewinnerteam ein ganzes Jahr kostenfrei für die Realisierung seiner Idee nutzen kann. Ob an der Essener Hindenburgstraße ein Atelierraum, ein Labor, ein Start-up-Hub entsteht, ist dabei vollkommen offen.

Am 14. August 2020 bespielen wir, d.h. das Projekt urbanana und CREATIVE.NRW, unter dem Titel „Attraktive Städte: Kreativwirtschaft gestaltet Lebens- und Arbeitsräume“ gemeinsam ein Panel im Rahmen der digitalen polis Convention. Was ist das Ziel der Veranstaltung?

Wir bringen unterschiedliche Perspektiven auf das Thema Stadt zusammen und gucken, wo es gemeinsame Interessen zwischen Kreativwirtschaft, Tourismuswirtschaft und auch Immobilienwirtschaft gibt – wo man voneinander lernen kann und wie man gemeinsam noch mehr Löwenzahnmomente stiften kann. Die Bedeutung von neuartigen Räumen schien ja schon an einigen Stellen durch. Die gilt es zu konkretisieren. Und klar: Ein bisschen Werbung für den urbanana-Award machen wir natürlich auch.

Was macht für Sie einen attraktiven Standort aus? Und was ist Ihr liebstes Reiseziel in NRW?

Die wirtschaftsgeographische Sicht ist wohl eine vollkommen andere als die persönliche. Ich mag kurze Wege, Plätze und Belebtheit. Mein liebstes Reiseziel leite ich davon ab: Köln und zwar ausgehend vom Rathenauplatz mit unbekanntem Ziel in die Sommernacht.

 

Mehr zu FLOW