20. 3. 2019
creative.talk

Prof. Dr. Gerhard Pfennig
Initiative Urheberrecht

Prof. Dr. Gerhard Pfennig ist seit Oktober 2012 Sprecher der Initiative Urheberrecht. In der Initiative arbeiten über 35 Verbände und Gewerkschaften zusammen, die die Interessen von insgesamt rund 140.000 UrheberInnen und ausübenden KünstlerInnen vertreten. Zu Fragen des Urheberrechts und der Kulturpolitik verfasste er zahlreiche Veröffentlichungen. Er kann auf eine langjährige Lehr- und Vortragstätigkeit zurückblicken, u.a. war er Mitherausgeber der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) von 2003 bis 2012. 2001 wurde Gerhard Pfennig das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Foto: © Gezett / Initiative Urheberrecht

Die EU-Abgeordneten haben sich im Februar auf einen finalen Text der Richtlinie zum Urheberrecht geeinigt. Was sind die wichtigsten Punkte, und was ist das Ziel der Reform?  

  • Es geht um die Anpassung verschiedener urheberrechtsrelevanter Aspekte an die Bedürfnisse der digitalen Informationsgesellschaft, u.a.:
  • Die Ermöglichung des Text- und Datamining (die automatisierte Durchsuchung von wissenschaftlichen Datenbanken für wissenschaftliche und Forschungszwecke)Die grenzüberschreitende Verwendung von geschützten Werken für Zwecke der Forschung und Lehre.
  • Die Förderung des Erhalts des Kulturerbes mit digitalen Mitteln.
  • Die Erleichterung des Umgangs mit vergriffenen Büchern.
  •  Die Förderung des Dialogs der Interessenträger über die Einräumung von Rechten.
  • Die Verpflichtung von Plattformen, die Presseartikel erschließen, sich mit den Verlegern über Lizenzen zu einigen.
  • Die gesetzliche Fundierung der Möglichkeit der Aufteilung von Vergütungen in Verwertungsgesellschaften, die Vergütungsansprüche für die Reproduktion von Texten und Bildern wahrnehmen; dies unter der Voraussetzung, dass die jeweiligen Verwertungsgesellschaften dies wünschen und Verteilungspläne für die Aufteilung zwischen Verlegern und Autoren beschließen.
  • Die Verpflichtung der großen Plattformen, Verträge mit Rechtsinhabern bzw. deren Verwertungsgesellschaften über die Nutzung von geschützten Werken und Leistungen abzuschließen und ggf., vor allem für die von Nutzern ohne kommerzielle Absicht hochgeladenen Werke („user generated content“), Vergütungen zu zahlen.
  • Die Etablierung von urhebervertragsrechtlichen Mindestregeln für Vereinbarungen zwischen Verwertern und Urhebern, die die schwächere Positionierung der Kreativen in Verhandlungssituationen ausgleichen und „Augenhöhe“ herstellen sollen.
    Insgesamt handelt es sich also um die Regulierung eines Bündels von Nutzungen, deren gesetzliche Regelung aufgrund technischer Entwicklungen seit der letzten Reform im Jahr 2001 dringend erforderlich geworden ist.

Aus welchem Grund stehen die Artikel 11 und 13 so sehr im Mittelpunkt der Diskussionen? Worum geht es in den beiden Artikeln? 

Im Artikel 11 geht es um die Verpflichtung von Plattformen wie „Google News“, für die Nutzung von kurzen Ausschnitten aus Presseartikeln im Rahmen ihrer Dienstleistung Lizenzverträge mit den Presseverlagen zu schließen und dafür Vergütungen zu zahlen, an denen die Journalisten beteiligt werden sollen. Die Plattformen sind der Ansicht, dass derartige Nutzungen im Interesse der Verlage erfolgen und kostenfrei sein sollten.
Im Artikel 13 geht es um einen Paradigmenwechsel: Bisher waren die Plattformen nicht verpflichtet, sich um den Erwerb der Nutzungsrechte an den von ihnen vermittelten Werken zu kümmern. Nur wenn die Rechteinhaber die Entfernung von Werken, die ohne Genehmigung von Dritten hochgeladen worden waren, verlangen, müssen die Plattformen diese in einem formalisierten Verfahren entfernen („Notice and Take down“). In anderen Fällen kooperieren die Plattformen schon jetzt mit den Rechteinhabern bei der Nutzung hochgeladener Werke, indem sie die Rechteinhaber an den Erlösen aus Werbung beteiligen, die im Zusammenhang mit der Werkverbreitung geschaltet wird.

Für wen gelten die Regelungen in Artikel 13, und für wen gelten sie nicht? 

Große Plattformen wie YouTube und Facebook müssen zukünftig Verträge mit Rechteinhabern schließen, kleinere müssen ebenfalls Rechte erwerben und sind nicht befreit von der Vergütungszahlung, erhalten jedoch Erleichterungen bei der Erfüllung von Sorgfaltspflichten.
Die viel diskutierten „Uploadfilter“, die im Übrigen in anderen Zusammenhängen schon längst angewendet werden, sind nicht obligatorisch: Wenn Plattformen Rechte für bestimmte Werkkategorien durch Gesamtverträge erworben haben, müssen sie die Verwertung dieser Werke nicht mehr kontrollieren. Nur wenn – wie bisher auch – Rechteinhaber, z.B. große Filmstudios, die Verbreitung ihrer Werke über Plattformen nicht wünschen, müssen diese auch zukünftig den Upload verhindern; dazu können sie Algorithmen einsetzen oder Mitarbeiter beschäftigen. Sofern also die Plattformen für möglichst viele Werke Verträge schließen, brauchen sie nicht zu filtern. Dies schafft vor allem Rechtssicherheit für diejenigen „kleinen“ User, die im Rahmen ihrer eigenen Websites oder Blogs fremde Werke hochladen und bisher dem Risiko der Rechtsverfolgung ausgesetzt sind.

Wie kann es sein, dass die tatsächlichen Inhalte der Urheberrechtsreform in der öffentlichen Debatte so gut wie keine Rolle spielen, dafür aber Begriffe wie „Uploadfilter“ oder „Zensur“ kursieren, die in der Richtlinie so überhaupt nicht vorkommen?  

Dies liegt vor allem an der massiven Abwehrhaltung der Plattformen, die sich gegen die neuen Vertragsabschluss- und Zahlungsverpflichtungen wehren. Sie und ihre Unterstützer in der Netzgemeinde suggerieren den Nutzern, dass der Artikel 13 „ihr Internet“ zerstören werde. In der Netzszene ist daraufhin das vollkommen falsche Bild gezeichnet worden, zukünftig müsste jedes hochgeladene Werk „gefiltert“, also kontrolliert, wenn nicht „zensiert“ werden. Das will natürlich niemand, die Kreativen auch nicht, und es ist auch faktisch vollkommen abwegig. Aber da sich niemand mit dem Wortlaut des Art. 13 wirklich beschäftigt – der in nahezu drei Jahren unter aktiver Mitwirkung der Bundesregierung und der Mehrheit der deutschen Abgeordneten im Europaparlament ausgehandelt wurde, ist der Kampf gegen die Schimäre „Filter“ populär, weil leichter zu erklären, auch wenn es sich dabei um „Fake News“ handelt.

Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Value Gap?   

Die Urheber und ausübenden Künstler beklagen, dass sie an den Gewinnen, die durch Werbung im Zusammenhang mit der nicht lizenzierten Verbreitung ihrer Werke erzielt werden, bisher nicht beteiligt werden. Sie fordern einen Ausgleich des „Value Gap“, der dadurch entsteht, dass nur Plattformen den Profit realisieren.

Ende März soll die Richtlinie zum Urheberrecht nun in einem Parlamentsbeschluss verabschiedet werden. Was könnten die Akteur:innen der Kultur- und Kreativwirtschaft noch unterstützend tun, um einen aus ihrer Sicht positiven Beschluss der Reform zu sichern? 

Die Akteur:innen der Kultur- und Kreativwirtschaft versuchen mit allen Kräften, das falsche Bild der drohenden Filter aufzuklären, dem leider auch EU-Abgeordnete anhängen, obwohl sie es besser wissen sollten. Der Druck der Netzszene, aber auch öffentlich-rechtlicher Medien wie des ZDF, die das Märchen von den drohenden Filtern ungeprüft verbreiten und z.B. Schulklassen zeigen, die „gegen Art. 13“ demonstrieren, tragen ihren Anteil dazu bei, dass das falsche, aber den Plattformen in die Hände spielende Narrativ verbreitet wird. Es ist schon erstaunlich, dass ausgerechnet diese Plattformen, denen im übrigen Steuervermeidung und illegaler Handel mit Nutzerdaten vorgeworfen werden, hier von der Netzgemeinde als Garanten des freien Internets verteidigt werden. Dagegen helfen nur Aufklärung und Verbreitung von Fakten bzw. Lektüre des Art. 13, der allerdings bisher, das erschwert die Diskussion, nur in englischer Sprache vorliegt.

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