20. 9. 2019
creative.talk

Dunja Karabaic
ökoRAUSCH Think Tank

Dunja Karabaic ist Kommunikationsdesignerin und kreiert seit 2008 Projekte, die die kreative Vermittlung des Themas Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellen. Als Expertin für Nachhaltigkeit berät sie Unternehmen, Kommunen und Vereine in der Kommunikation und Gestaltung ihrer sozial-ökologischen Anliegen. Mit Projekten wie dem ökoRAUSCH Festival für Design & Nachhaltigkeit oder dem Magazin veedelfunker gelingt ihr die Ansprache einer breiten Öffentlichkeit, und so freut sich die Kölnerin, dass besonders Kulturschaffende dazu beitragen können, die Gesellschaft nachhaltig positiv zu verändern. Im Oktober startet das neue Exkursionsformat ECO DESIGN MEETS BUSINESS, das CREATIVE.NRW als Partner unterstützt. Im CREATIVE.Talk berichtet Dunja Karabaic, wie es um das Thema nachhaltiges Design in Deutschland steht, und gibt einen Ausblick auf zukünftige Projekte.

Foto: Bozica Babic

Design und Nachhaltigkeit sind zwei Begriffe, die heute recht nah beieinander liegen. Das war allerdings nicht immer so: Wann und warum haben Sie angefangen, sich mit beiden Begriffen näher auseinanderzusetzen und sie grundsätzlich gemeinsam zu denken? 

Ich habe mich bereits als Teenager für Amnesty International oder Greenpeace starkgemacht. Mit dem Studium an der Kunsthochschule kam aber erst mal der Break – der „Elfenbeinturm“ der Kunst hat mich einige Jahre gefangen genommen. In Rückbesinnung auf meine umweltbewegten Zeiten habe ich jedoch bereits gegen Ende meines Studiums versucht, Kunst, Design und Engagement miteinander zu vereinen. Ausdruck davon war 2003 die Gründung meines Upcyclinglabels „RCYCLIA“ – zu einer Zeit, wo man noch neun von zehn Kund:innen erläutern musste, was Upcycling überhaupt ist und wieso Umweltthemen im Design enorm wichtig sind.

Was ist in der Zwischenzeit passiert? Ist die Graswurzelbewegung in Sachen nachhaltiges Design nun wirklich im „Mainstream“ angekommen oder befindet sie sich Ihrer Meinung nach eigentlich noch immer in einer Nische?  

Ich bin verhalten optimistisch. Zum einen, weil im Vergleich zu damals kein einziges Design-Department an einer Hochschule mehr ohne die Vermittlung von Nachhaltigkeit im Studium auskommt. Und zum anderen, weil seit letztem Jahr immer mehr Konsument:innen den Zusammenhang zwischen den Forderungen von #FridaysForFuture und ihrem eigenen Kaufverhalten realisieren und vor allem, was viel wichtiger ist, auch mehr danach handeln!

Mit dem Eco Design Forum, einer Veranstaltung mit Workshops, Vorträgen und viel Möglichkeit zum Austausch, setzen Sie auch einen internationalen Schwerpunkt. Wo sehen Sie Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern?

Überall auf der Welt forschen, lehren und arbeiten Kreative, die Verantwortung im Design und in anderen Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft übernehmen. Deutschland hat sehr viel innovative Power in puncto Nachhaltigkeit zu bieten, und so wächst auch hierzulande diese Gruppe Tag für Tag. Aber leider werden wir dem Ruf als „Vorzeige-Umweltschutz-Land“, der uns lange Zeit vorauseilte, schon länger nicht mehr gerecht. Also sollten wir dringend diejenigen fördern, die sich seit Jahren für klimafreundliches und sozial verantwortliches Produzieren und Konsumieren stark machen. Es hilft auch, den Blick über den Tellerrand zu werfen: In Schweden gibt es zum Beispiel bereits seit den 1990er Jahren eine CO2-Steuer, über die wir nur diskutieren, und in Frankreich wurde kürzlich Supermärkten verboten, abgelaufene Lebensmittel wegzuwerfen, und stattdessen sollen sie nun verschenkt werden. Meiner Ansicht nach sollten wir unsere Politiker:innen mehr auffordern, mutige Entscheidungen zu treffen, die uns alle endlich mehr ins Handeln bringen – denn das Wissen um sozial-ökologische Zusammenhänge ist mehr als reichlich, gerade auch in Deutschland, vorhanden.

Wo liegt für Sie das größte Potenzial im Bereich des nachhaltigen Designs bzw. welcher Wirtschaftszweig hat Ihrer Ansicht nach den größten Hebel in puncto Nachhaltigkeit, und welche Rolle kann dabei die Kultur- und Kreativwirtschaft einnehmen?  

Die Frage nach der Wirkung ist nicht immer ganz leicht zu beantworten. Es gibt einige große Treiber, zum Beispiel in puncto CO2-Ausstoß, wo ein konsequentes Umdenken besonders Wirkung zeigen würde. Großes Thema sind hier ja zum Beispiel der geplante Kohleausstieg und der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien. Ein großer Hebel wäre auch, deutlich mehr Anreize zu schaffen, um eine schrittweise Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs durchzusetzen, statt nur auf den Bau von E-Autos zu setzen.
Bei den großen Hebeln in der Kultur- und Kreativwirtschaft kommt besonders der Architekturbranche eine tragende Rolle zu: Hier geht es um Themen wie Flächenverbrauch, die Umnutzung von Gebäuden statt auf der grünen Wiese neu zu bauen. Oder auch den enormen Ressourcenverbrauch und die Verwendung umweltschädlicher Materialien. Der Faktor Nachhaltigkeit spielt hier meiner Ansicht nach noch eine zu geringe Rolle, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Im Design ist ganz klar noch mehr Verantwortung gefragt, „nicht weiter Produkte zu entwerfen, von denen die Leute noch nicht mal wussten, dass sie sie brauchen“ – um einen Vorreiter des nachhaltigen Designs, Viktor Papanek, zu zitieren.

Durch die untrennbare Verknüpfung von klassischen Bereichen wie Produkt-/Industrie- oder Mode-Design mit Konsum ist das Thema Nachhaltigkeit ein Riesenthema – und somit auch ein Riesenhebel, den es kreativ zu nutzen gilt! Nachhaltig arbeitende Designer:innen schauen grundsätzlich über den Tellerrand und interessieren sich für die großen Zusammenhänge dieser Welt. Nicht die nächste Lampe ist ihr Ziel, sondern sie stellen sich die Frage, was verändert werden muss, um so effizient wie möglich zu beleuchten – auch wenn es bedeutet, keine weitere Lampe zu kreieren. Neben dem Produktdesign geht es vielmehr um die Gestaltung von Prozessen, unseres Miteinanders und unseren Umgang mit der Natur. Kreative können komplexe Zusammenhänge super herunterbrechen. Gerade diese Fähigkeit wird zukünftig noch viel, viel mehr vonnöten sein, um mehr Menschen für Nachhaltigkeit zu begeistern.

Am 1., 10. und 16. Oktober sowie am 6. November 2019 findet erstmalig das neue Format ECO DESIGN MEETS BUSINESS statt. Was ist das Ziel dieser Exkursionen? 

Mit unserem neuen Format ECO DESIGN MEETS BUSINESS treten wir erstmals als Matchmaker auf und fördern das kreative Potenzial und Know-how von Designer:innen, die ihren Schwerpunkt dem nachhaltigen Entwickeln und Produzieren widmen. Während der Exkursion wollen wir gemeinsam herausfinden, an welchen Stellen Kreative wirksame Impulse für die nachhaltigen Unternehmensziele einbringen könnten.

An wen richtet sich das Format, wer kann sich bewerben und daran teilnehmen?  

Das Format richtet sich zum einen an Designer:innen, die ihr Wissen, ihre Kreativität und ihre Erfahrung in nachhaltigem Design einsetzen möchten und diesen Mehrwert einem Unternehmen anbieten möchten, das vor der Herausforderung steht, mehr Nachhaltigkeit zu etablieren. Hier sind vor allem die Exkursionen zu den Abfallwirtschaftsbetrieben (AWB Köln) als auch zu plastic2beans spannend.
Die Exkursionen zu den Designlabels esthétique und Fond Of richten sich eher an Designer:innen und andere Interessierte, die Kontakt zu Best Practices suchen, die bereits erfolgreich im nachhaltigen Wirtschaften und Produzieren sind und die sie einen Blick hinter die Kulissen werfen lassen.

Im nächsten Jahr um diese Zeit findet, nach zwei Jahren Pause, auch wieder das ökoRAUSCH-Festival statt. Knapp vier Wochen, vom 28. August bis zum 24. September 2020, werden Sie und Ihr Team dann das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) bespielen. Welche Neuerungen oder thematischen Schwerpunkte wird es geben? 

Das Thema Matchmaking, wie in der Exkursionsreihe ECO DESIGN MEETS BUSINESS eingeführt, wird auch dort eine Rolle spielen. Hierfür sind wir jetzt schon auf der Suche nach Unternehmen, die gemeinsam mit einer Designerin oder einem Designer an einer Problemlösung arbeiten und das Ergebnis, ob Konzept oder fertiges Produkt, dann in der Ausstellung 2020 präsentieren wollen. Wir werden im MAKK nächstes Jahr die große Halle bespielen dürfen und nehmen gern diese tolle Herausforderung an, ein besonderes Konzept für die Ausstellungsarchitektur zu entwickeln. Hierbei sollen noch mehr als bereits umgesetzt Aspekte wie Modularität, Wiederverwendbarkeit und Ressourcenschonung eine Rolle spielen.

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