5. 11. 2020
creative.talk

Annette Bathen
die Urbanisten e.V.

Annette Bathen ist Politikwissenschaftlerin und seit 2017 bei den Urbanisten e.V. tätig, die von uns 2020 als CREATIVE.Space ausgezeichnet wurden. Mit dem Forschungsprojekt LUZI – Labor für urbane Zukunftsfragen und Innovation konnten die Urbanisten e.V. gemeinsam mit den Verbundpartnern Fraunhofer Umsicht und dem Union Gewerbehof für umwelt- und sozialverträgliche Techniken (Konsortialführer) beim Leitmarktwettbewerb CreateMedia.NRW überzeugen. Seit Mai 2019 bringt LUZI Menschen zusammen und geht der Frage nach, wie Innovation für eine lebenswerte Stadt kollaborativ entstehen kann.

Welche sind die „urbanen Zukunftsfragen“, mit denen ihr euch im Projekt LUZI beschäftigt, und was ist euer Ziel?

Wir möchten herausfinden, wie Menschen im Unionviertel und Dortmund ihre Ressourcen zusammenschließen können, um gemeinsam Lösungen für die Zukunft zu entwickeln und ganz konkrete Projekte umzusetzen. Unter Ressourcen verstehen wir sowohl Zeit und Geld als auch Wissen, Netzwerke, Erfahrungen und Equipment. Dahinter steht unsere These, dass der Zusammenschluss, die Kooperation von Menschen und Koproduktion zu sozialen, technischen und langfristig systemischen Innovationen führen. Dieses Potenzial untersuchen wir und finden heraus, welche Rahmenbedingungen solche Kooperationen brauchen, um einen Wandel der Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit zu begünstigen.

Das Projekt wird im Rahmen des NRW-Leitmarktwettbewerbs für die Medien- und Kreativwirtschaft gefördert. Welche Rolle spielt diese Branche für die Beantwortung dieser Zukunftsfragen?

Wir sind der Überzeugung, dass kulturelle und kreative Fähigkeiten und ihre Verknüpfung mit unternehmerischem Handeln eine entscheidende Rolle für die Zukunftsfähigkeit von Städten und Regionen spielen. Mit LUZI möchten wir Kunst- und Kulturschaffende mit zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteur:innen zusammenbringen und gemeinsam mit ihnen herausfinden, wie sich kreative Ideen nachhaltig entwickeln lassen und wie kreative Lösungen für Probleme gefunden werden. Mit diesen Innovationen möchten wir die Zukunft in Städten positiv beeinflussen.

Ihr wollt u.a. herausfinden, welche Bedingungen es braucht, um soziale, ökologische und kreative Ideen und Innovationen in unternehmerisches Handeln zu überführen. Habt ihr bereits erste konkrete Antworten gefunden?

Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Das liegt vor allem daran, dass die Ideen für die Stadt der Zukunft genauso wie die Menschen, die diese Ideen haben, unglaublich divers und individuell sind. Dadurch sind auch Herangehensweisen, Bedarfe und Wünsche sehr unterschiedlich. Aspekte, die bei der einen Person eine wichtige Rolle spielen, können einer anderen Person gleichgültig sein. Durch die vielen Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen entdecken wir aber immer mehr Faktoren, die in der Regel eine Rolle spielen. Aus der Erfahrung heraus können wir sagen, dass sowohl Vereine und Initiativen, die sich professionalisieren möchten, als auch junge Gründer:innen und Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit in der ersten Zeit vor allem Gestaltungsspielraum benötigen. Dazu gehört in der Regel auch, dass die Akteur:innen Raum, Zeit und Kapital zum Ausprobieren, Experimentieren, Nachjustieren und Erfahrungsammeln brauchen.

Das Projekt ist als Reallabor konzipiert. Was bedeutet das genau?

Das bedeutet, dass wir im Sinne realer menschlicher Nachhaltigkeitsbedürfnisse und im Kontext der Transformation realer urbaner Räume arbeiten. Wir verschreiben uns also konkreter Entwicklung im Stadtteil. Methodisch bedeutet das zudem, dass wir mit Bürger:innen, Akteur:innen, Organisationen und Unternehmen zusammenarbeiten. Wir fragen also konkret danach, was die Akteur:innen interessiert, welche Zukunftsfragen sie haben, für welche Herausforderungen sie Lösungen finden müssen oder möchten. Aus diesem Wissen heraus konzipieren wir Veranstaltungen und Treffen, aber auch konkrete Projekte, die wir umsetzen. Das LUZI wird dadurch sehr divers, vielschichtig und interdisziplinär.

Austausch, Kollaboration und gemeinschaftliche Produktion bilden eine wichtige Säule im Projekt. In Zeiten der Corona-Krise wird all das erschwert. Wie geht ihr damit um, und wie ist eure Perspektive für den weiteren Projektverlauf?

Klar, Corona macht unsere Arbeit nicht leichter, und gerade in Projekten wie LUZI ist es sehr schwer, Alternativen zu finden, mit denen wir den gleichen Mehrwert erlangen und unsere gesteckten Ziele erreichen. Ursprünglich wollten wir mit LUZI vor allem Veranstaltungen konzipieren und durchführen, die Menschen in Austausch bringen und miteinander vernetzen, um so Potenziale von Zusammenarbeit und Kooperation zu nutzen und gemeinsam neue Projekte zu entwickeln. Corona hat uns gewissermaßen gezwungen, von dieser Herangehensweise abzurücken und neue Wege zu finden. Jetzt laden wir also nicht mehr zu großen Veranstaltungen und Vernetzungsabenden ein, sondern gehen gezielt auf Akteur:innen zu, gehen neue Kooperationen ein und vergrößern das Netzwerk. Schade ist aber nach wie vor, dass sich viele der Akteur:innen dadurch nicht persönlich treffen und austauschen und wir die Schnittstelle bleiben. Das versuchen wir zum Beispiel durch die digitale „Wandelbar“ zu kompensieren und möchten im nächsten Jahr außerdem ein großes Netzwerkevent veranstalten, an dem all die Menschen zusammenkommen, mit denen wir in LUZI kooperativ Ideen weiterentwickelt und Projekte umgesetzt haben.

Vom 21. November bis 13. Dezember 2020 ist LUZI Partner der Trash up!, einer Veranstaltungsreihe für Nachhaltigkeit und Konsumverhalten, die dieses Jahr vorwiegend online stattfindet. Was können die Besucher:innen erwarten?

Das Trash Up! Festival haben wir als Urbanisten in den Jahren 2016, 2017 und 2018 gemeinsam mit dem DEPOT Dortmund und Tanz auf Ruinen durchgeführt. Schon letztes Jahr gab es mit der „Rethinking Trash Up! Dortmunds erste Nachhaltigkeitskonferenz“ ein neues Format, in dem wir mit den Teilnehmer:innen herausfinden wollten, wie wir die Trash Up! weiterentwickeln sollten. Dazu gab es mehrere Workshops mit dem Ergebnis, dass großes Interesse daran besteht, mehr in Aktion zu treten, praktische Handlungsfelder zum Thema zu machen und gemeinsam über Zukunftsperspektiven zu diskutieren. Mit Trash Up! meets LUZI haben wir deswegen ein Veranstaltungsprogramm entwickelt, das aus vielen praktischen Workshops – vom Wurmkompostbau über die Fahrradwerkstatt bis zum Nähkurs – sowie vier inhaltlichen Gesprächsrunden mit Expert:innen und einem breiten Publikum zu den Themen Nachhaltigkeit, soziales Unternehmertum, urbane Transformation und Selbermachen besteht. Corona legt uns auch da wieder Steine in den Weg, aber wir versuchen, das Beste draus zu machen, und arbeiten an digitalen und hygienekonformen Lösungen.

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