27. 4. 2022
creative.talk

Anja Dietzmann
Creative Europe Desk Kultur

Anja Dietzmann ist seit 2017 beim Creative Europe Desk KULTUR, der nationalen Kontaktstelle für europäische Kulturförderung, tätig und berät dort Antragsteller:innen im Programm Kreatives Europa KULTUR. Davor studierte sie Politikwissenschaft in Leipzig, Jena und Lyon und war in der freien Tanzszene Leipzigs aktiv.

Nehmen Sie doch mal alle, die sich mit den großen europäischen Förderungen nicht so gut auskennen, mit in die Struktur von Creative Europe: Was ist das denn genau und wie fächert sich das auf als Institution, organisatorisch und schließlich als Programm? 

Creative Europe ist das Förderprogramm der Europäischen Kommission zur Unterstützung der europäischen Kultur- und Kreativsektoren sowie der audiovisuellen Branche, also der Filmwirtschaft. Das Programm wird von der Europäischen Kommission inhaltlich ausgestaltet und von der Exekutivagentur für Bildung und Kultur verwaltet.
Die Creative Europe Desks, von denen es in jedem am Programm teilnahmeberechtigten Land mindestens eins gibt, sind die offiziellen nationalen Kontaktstellen, die zum Creative-Europe-Programm beraten. Demnach sind wir die Vermittler:innen an der Schnittstelle zwischen der EU- und der nationalen Ebene. Wir führen allgemeine und intensive Beratungen für potenzielle Antragsteller:innen durch und bieten Antragschecks vor Einreichung an. Außerdem informieren wir über das Programm in unterschiedlichen Veranstaltungen, wie Seminaren oder Infosessions, und geben Expertise zur europäischen Kulturförderung an nationale Gremien weiter. In Deutschland gibt es insgesamt fünf Creative Europe Desks, davon sind vier Desks mit Sitz in Düsseldorf, Berlin-Brandenburg, Hamburg und München für den Film- und Gamingsektor zuständig. Wir in Bonn sind der einzige deutsche Desk, der Kulturschaffende und Multiplikator:innen zum Teilprogramm KULTUR berät.

Im Jahr 2021 ist die aktuelle, siebenjährige Programmlaufzeit des Förderprogramms von Creative Europe unter dem Motto „Push Boundaries“ gestartet. Mit welchen Schwerpunkten möchte die EU-Kommission in den nächsten Jahren die europäische Kultur- und Kreativwirtschaft voranbringen? 

Der größte Förderbereich im Teilprogramm KULTUR bleiben die europäischen Kooperationsprojekte, die eine intensive grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Kultureinrichtungen aus unterschiedlichen am Programm teilnahmeberechtigten Ländern unterstützen. Mit einigen Neuerungen in diesem Förderbereich möchte die EU europäisches Arbeiten auch für kleinere Organisationen attraktiver gestalten. Beispielsweise wurde die Kofinanzierungsrate der EU bei den kleinen Kooperationsprojekten auf 80 Prozent angehoben. Bei den mittleren Kooperationsprojekten liegt sie bei 70 Prozent und in der Kategorie der großen Kooperationsprojekte bei 60 Prozent. Des Weiteren wurde der Abrechnungsprozess vereinfacht. Da die Finanzierung nun auf individuellen Pauschalbeträgen basiert, müssen keine Finanzberichte mehr eingereicht werden. Inhaltliche Schwerpunkte setzt die EU mit den neu eingeführten Querschnittsthemen:
1. Inklusion, Diversität und Geschlechtergerechtigkeit
2. Umweltbewusstsein und der Kampf gegen den Klimawandel
Beide Themen müssen von Projekten in ihrer Umsetzung mitgedacht werden.

Wie sind die Säulen des Creative-Europe-Programms definiert bzw. voneinander abgegrenzt?

Gegliedert ist das Programm in zwei Teilprogramme und den Cross-Sektor-Bereich – die Teilprogramme unterteilen sich in Creative Europe Culture, welches Fördermöglichkeiten für den europäischen Kultursektor bereithält, und Creative Europe MEDIA, welches Förderung für die Filmindustrie Europas bietet. Der Cross-Sektor-Bereich beinhaltet meist bestimmte Initiativen, die Akteur:innen und Projekte beider Teilbereiche verbinden sollen. So gibt es seit 2021 eine jährliche Ausschreibung zu den Innovation Labs, die Projekte mit innovativen digitalen Lösungen für mehrere Kultur- und Kreativbranchen fördert. Des Weiteren umfasst der cross-sektorale Teil seit der aktuellen Laufzeit auch den News-Media-Bereich. Ziel der Förderung ist die Unterstützung einer vielfältigen, unabhängigen und pluralistischen Medienlandschaft.

Insgesamt gibt es in der aktuellen Förderperiode 13 verschiedene EU-Programme, die auch für den Kultur- und Kreativsektor interessant sind, z.B. „Horizont Europa“, eigentlich ein Förderprogramm für Forschung und Innovation. Selbst für erfahrene Antragsteller:innen ist es manchmal schwer, sich hier zurecht zu finden. Wie kann der CED dazu beitragen, dass die Programme möglichst viele Bürger:innen erreichen und die Bewerbungsverfahren dementsprechend inklusiv gestaltet sind? 

Wir als CED KULTUR sind für die Beratung zum Kulturförderprogramm der EU zuständig. Da liegt auch unsere Expertise. Allerdings versuchen wir trotzdem über Förderalternativen zu informieren, sollte das Projektvorhaben nicht in einen der Förderbereiche von Creative Europe passen. Dafür haben wir in Kooperation mit dem österreichischen Kulturdesk die Online-Plattform „Europa fördert Kultur“ ins Leben gerufen. Die Website bietet einen Überblick zu den 13 europäischen Förderprogrammen, in denen auch kulturelle Vorhaben unterstützt werden. Mit einem in die Seite integrierten Förderfinder können passende EU-Förderprogramme für die eigenen Projektideen im Kulturbereich gefunden werden. Außerdem stellt das Portal Informationen zu geförderten Projekten und Kontaktstellen in Österreich und Deutschland der jeweiligen Programme zur Verfügung. Damit europäische Fördermöglichkeiten für Kulturakteure noch sichtbarer werden, organisieren wir regelmäßig Kooperationsveranstaltungen mit Kontaktstellen anderer EU-Förderprogramme.

Als Reaktion auf die Situation in der Ukraine hat die EU-Kommission die Antragsfrist für Europäische Kooperationsprojekte Mitte März von 31. März auf den 5. Mai 2022 verschoben. Wo sehen Sie in Ihrer täglichen Arbeit weitere kulturelle und kreativwirtschaftliche Initiativen, die versuchen, den dramatischen Folgen des Krieges etwas entgegenzusetzen?

Wichtig ist es, die europäischen Kooperationen mit ukrainischen Partnerorganisationen aufrechtzuerhalten. Dafür stehen wir sowie das gesamte Desk-Netzwerk mit dem ukrainischen Desk in engem Kontakt, teilen Partnergesuche und unterstützen bei der Bereitstellung von Informationen für ukrainische Kulturschaffende im Exil.

Die EU-Kommission unterstützt weiterhin Kooperationsprojekte mit ukrainischen Partner:innen und ermöglicht mit verschiedenen Ausnahmeregelungen die Umsetzung dieser.

Creative Europe Desk KULTUR