21. 1. 2020
creative.talk

Prof. Dr. Axel Häusler und Sergio Sotric
TH Ostwestfalen-Lippe, moStar Promotion GmbH

Prof. Dr. Axel Häusler ist Professor für Digitale Medien und Entwerfen und Sprecher des Forschungsschwerpunkts nextPlace an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Sergio Sotric ist Geschäftsführer der moStar Promotion GmbH. Gemeinsam betreuen sie das Projekt „LivingLab Essigfabrik“, das im Rahmen des Leitmarktwettbewerbs CreateMedia.NRW gefördert wird. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung und Erforschung eines digitalen Quartiers- und Kulturzentrums im Deutzer Hafen in Köln.

Untersuchungsgegenstand Ihres Projekts ist ein Stadtentwicklungsprojekt rund um die Essigfabrik im Deutzer Hafen in Köln. Können Sie das Vorhaben kurz umreißen?

Häusler: Die Essigfabrik ist seit fast 20 Jahren eine bestehende, privatwirtschaftliche Kulturstätte auf der rechtsrheinischen Seite Kölns. Unser Forschungsprojekt nimmt die aktuelle Stadtentwicklungsplanung des umgebenden Deutzer Hafens zum Anlass, bisherige Nutzungskonzepte von Quartiers- und Kulturzentren zu überdenken und neue, innovative Schnittstellen in Richtung einer kommunikativen, kreativen Digitalwirtschaft auszuloten.

Sotric: Unser Kölner Familienunternehmen, mit Sitz im Deutzer Hafen – moStar Promotion GmbH – als Erfinder, Initiator, Namensgeber, Investor und langjähriger privatwirtschaftlicher Betreiber des Kultur- und Veranstaltungszentrums Essigfabrik (einer international etablierten Marke im Kulturbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalens), kommuniziert schon seit 2015 mit der Verwaltung der Stadt Köln, dass es mit der Essigfabrik im Deutzer Hafen über 2021 hinaus bleiben möchte. Wir möchten uns im neu entstehenden Stadtviertel als Kulturschaffender engagieren und eine zentrale Rolle im Aufbau einer nachhaltigen, sozialen Quartiersnachbarschaft übernehmen. Dies bekommt noch mehr Relevanz angesichts der Tatsache, dass die Funktion des Kultur-, Quartiers- und Veranstaltungszentrums Essigfabrik nicht erst nach der Fertigstellung des Quartiers realisierbar ist, sondern bereits in der Vorplanungs- und Bauphase des Quartiers sehr hilfreich ist.

Ziel Ihres Projekts ist, diesen Ort als digitales Quartiers- und Kulturzentrum zu erforschen und zu entwickeln. Digitalisierung, Stadtentwicklung und Kreativwirtschaft sind dabei die drei Treiber. Wie können sich diese Bereiche gegenseitig befruchten?

Sotric: Mit einem systemischen Ansatz sollen im Rahmen unseres Projekts die technischen und sozialen Innovationen im Bereich experimenteller Raumnutzungskonzepte in der Kultur- und Kreativwirtschaft gefördert und weiterentwickelt werden. Es gilt dabei, die Beteiligten in der Wertschöpfungskette von der städtebaulichen Planung bis zur Nutzung der entstehenden Immobilien zu vernetzen. Dabei wird das Ziel verfolgt, die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung frühzeitig im Sinne einer lokalen nachbarschaftlichen Quartiersentwicklung zu integrieren.

Häusler: Mit unserem Projekt eröffnet sich ein einmaliger experimenteller Untersuchungsraum an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Einerseits besteht die Möglichkeit, einen öffentlichen Begegnungsort zu schaffen, an dem digitale soziale Innovationen in einem kulturellen Umfeld verortet, kommuniziert und erlebt werden können. Andererseits besteht hiermit auch die Gelegenheit, neue Technologien mit Bürger*innen, Institutionen und Unternehmen gemeinsam zu erproben und bedarfsorientiert anzupassen bzw. weiterzuentwickeln.

Welches Potenzial sehen Sie in digitalen Technologien bei der Entwicklung von sozio-kulturellen Strukturen?

Häusler: Die digitale Transformation bringt gleichermaßen Chancen und Herausforderungen mit sich. Welche Inhalte und Nutzungen zukünftig welche Ortsbezüge, Raumanforderungen und Technologien benötigen, ist eine der zentralen Forschungsfragen dieses Projekts. Um allerdings der zunehmenden digitalen Individualisierung und dem räumlichen Cocooning entgegenzuwirken, gilt es, Technologien so zu konzipieren und einzusetzen, dass Teilhabe und Zusammenhalt in der Gesellschaft grundsätzlich gefördert werden. Diese Herausforderungen spielen gerade in zukünftigen Stadtentwicklungsprojekten eine wichtige Rolle.

Stichwort Neue Arbeit, das Hafengebiet soll auch Arbeitsquartier werden. Inwiefern spielen kreativwirtschaftliche Akteure eine Rolle bei der Entwicklung von innovativen Arbeitsstrukturen und -räumen?

Sotric: Für den gesellschaftlichen Wandel im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist es notwendig, digitale Technologien so zu konzipieren und einzusetzen, dass durch ihre Nutzung die Teilhabe und der Zusammenhalt in der Gesellschaft gefördert werden. Hierbei können kreativwirtschaftliche Akteure eine inspirative, innovative, kooperative feine wegweisende Rolle für die Entwicklung von innovativen Arbeitsstrukturen und -räumen spielen. Soll ein neues Stadtquartier mit – wie im Deutzer Hafen – 6.000 geplanten Arbeitsplätzen und etwa 6.900 Einwohner*innen zusammenwachsen, sind insbesondere Sozial-, Kreativ- und Kulturstrukturen notwendig, die die Bürger*innen/Arbeitnehmer*innen einbeziehen und dazu befähigen, gemeinsam mit anderen eine „Nachbarschaft“ aktiv zu gestalten. Dabei ist insbesondere zu reflektieren, welche Rolle die lokale Kultur- und Kreativwirtschaft für die dafür notwendige Entwicklung und Erprobung von digitalen sozialen Innovationen zur Gestaltung des öffentlichen Raums spielen kann.

Das Projekt läuft bereits seit zehn Monaten. Was ist bisher passiert, und gibt es schon erste Ergebnisse oder Erkenntnisse?

Häusler: Wir befinden uns gerade am Ende des ersten von drei einjährigen Innovationszyklen, die jeweils auf unterschiedliche Stadtentwicklungsphasen reagieren. Unser bisheriger Fokus zielte auf die technologische Unterstützung von Planungs- und Partizipationsprozessen ab. Begonnen haben wir mit analogen Workshops, in denen wir verschiedene technologische Nutzungsszenarien für ein Quartiers- und Kulturzentrum der Zukunft entwarfen. Aktuell entwickeln und testen wir Werkzeuge, die Diskussionsveranstaltungen in Echtzeit inhaltlich dokumentieren und auch später noch, z.B. in Form eines Chat-Bots, für weitere Nutzer*innen offen und zugänglich halten.

Am 11. Februar präsentieren Sie das Forschungsprojekt erstmals der Öffentlichkeit und diskutieren das Thema mit verschiedenen Stakeholder*innen. An wen richtet sich die Veranstaltung, und was ist das Ziel?

Sotric: Unser Projekt richtet sich an alle Stakeholder*innen in der Wertschöpfungskette sowie an alle Interessierten. Ziel dieser Veranstaltung ist es, unsere Projektergebnisse zu diskutieren, Vergleichsprojekte kennenzulernen, die Ideen mit den Teilnehmer*innen auszutauschen und in einer kreativen Umgebung und lockeren Atmosphäre zu netzwerken.

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