27. 6. 2024

„Ohne die Kreativen wird es nicht gehen, weil sonst die Ideen fehlen.“

Visual des creativ.summit mit Publikum im Vordergrund

Digitalisierung, KI, Ressourcenknappheit – welche Rolle(n) die Kreativwirtschaft beim nötigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Turnaround spielen kann: Das haben wir am 20. Juni 2024 beim ersten creative.summit in der Sammlung Philara in Düsseldorf vor und mit mehr als 150 Gästen diskutiert. In der von creative.nrw-Projektleiter Lars Terlinden moderierten Veranstaltung ging es auch um die Frage, welche Folgen die vielfältigen Herausforderungen für die Kreativwirtschaft selbst haben.

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur machte Mut: „Die Kreativschaffenden können dazu beitragen, Lösungen für die vielen Krisen unserer Zeit zu finden, in dem sie ganz eigene Wege gehen. Wer so mutig und voller Ideenreichtum immer wieder bereit ist, die Dinge noch einmal neu zu probieren, wenn sie beim ersten Mal nicht klappen, wer als Kreativschaffende oder -schaffender genau das als Expertise in sich trägt, der hat supergute Chancen, ein wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte der Zukunft zu werden.“

Welches Mindset es braucht, um die Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen und ins konkrete Handeln zu kommen, darüber hatte zuvor zum Auftakt die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Maren Urner in ihrer Keynote „Change by Design or Disaster? – Wie wir mit Hirn und Verstand Ersteres schaffen“ gesprochen. Auch für sie ist die Kreativwirtschaft ein zentraler Faktor, um einen Turnaround zu schaffen: „Weil sie Dinge tut, die sich andere Menschen häufig nicht vorstellen können; und wir können Veränderungen nur schaffen, wenn wir das noch Unvorstellbare in den Köpfen und damit den Menschen, den Körpern überhaupt erst einmal lostreten. Ohne die Kreativen wird es nicht gehen, weil sonst die Ideen fehlen.“ Im anschließenden Gespräch waren sich Maren Urner und Mona Neubaur einig, dass man das Lagerdenken überwinden und Menschen auch aus anderen Lebenswelten mitnehmen müsse, um gemeinsame Ziele zu erreichen – auch wenn man dafür einmal Umwege gehen müsse.

Über die Zukunft des Journalismus als „vierte Macht“ einer demokratischen Gesellschaft sprachen Ellen Heinrichs (Bonn Institute), David Schraven (CORRECTIV) und Nadja Schick (GroupM) in der Paneldiskussion „Journalismus, Demokratie, Wirtschaft – (Wie) passt das zusammen?“, moderiert von Alessa Brings. Nadja Schick sieht Wirtschaftsunternehmen in der Pflicht, auch künftig die Presse durch „Investitionen“ zu unterstützen; speziell für die Zielgruppe junge Leute, die bevorzugt auf sozialen Medien unterwegs ist, müssten aber angemessene Formate erst noch entwickelt werden. Ellen Heinrichs plädierte für einen konstruktiven Journalismus, der Menschen bei der Bewältigung von Herausforderungen unterstützt – eine entscheidende Voraussetzung dafür: erst einmal gut zuhören. David Schraven ist überzeugt, dass die Relevanz in den Mittelpunkt journalistischer Arbeit gestellt werden sollte. Wenn es eine gute Geschichte gibt, würden sich Monetarisierungsmöglichkeiten eröffnen: „Journalismus muss sich nicht in erster Linie aus Aboverkäufen finanzieren; es gibt viele andere Möglichkeiten, wie Journalismus finanziert werden kann. Das kann über Spenden passieren, über Zuwendungen… Das passiert immer dann, wenn Menschen wichtig ist, was berichtet wird, und das ist immer dann der Fall, wenn es um etwas geht, was den Menschen im täglichen Leben weiterhilft, Lösungen anbietet.“ Für ihn ist ein Journalist derjenige, der auf lokaler Ebene als Teil einer Community die Kommunikation innerhalb der Community organisiert. Um Jugendliche zu erreichen, solle man nicht auf TikTok gehen, sondern in die Schulen und Jugendzentren – ein Plädoyer für Medienbildung auf Grassroots-Ebene.

Die Auswirkungen aktueller, nicht nur technologischer Entwicklungen auf die Arbeit und die Geschäftsmodelle von Kreativen diskutierten Bianca Creutz (Prognos AG), Prof. Dr. Verena Hermelingmeier (bonnvivir GmbH/Alanus Hochschule), Oliver Kuschel (Impact Factory) und Wolf Lotter im Panel „Digitalisierung, KI & Co.: Wie wirtschaften wir in Zukunft?“. Bianca Creutz sieht die Kreativwirtschaft anhand aktuell von Prognos erhobener Daten nach dem Corona-Einbruch auf dem Weg zurück zu Wachstum: Beim Umsatz seien die meisten Branchen zumindest bereits wieder auf Vor-Corona-Niveau. Oliver Kuschel plädierte für Geschäftsmodelle, die einen möglichst großen positiven Handabdruck haben statt eines möglichst kleinen ökologischen Fußabdrucks. Die besten Geschäftsmodelle vereinen für ihn Ökologie, Ökonomie und Soziales. Für Verena Hermelingmeier liegt eine Chance darin, in der Gemeinschaft Orte des Austauschs und des Experimentierens mit neuen Formen des Wirtschaftens zu schaffen – nach dem Vorbild etwa des Kölner WandelWerks. Physische Orte, menschliche Kreativität und Technologie können dabei eine gute Symbiose eingehen: „Physische Orte sind extrem wichtig als Anlaufstelle für Transformationen, um Menschen zusammenzubringen, die neue lokale Versorgungsstrukturen aufbauen. Menschliche Kreativität ist absolut wichtig dabei, um den Ort zu beleben, um ihn zu gestalten. Eine KI kann sinnvoll dafür eingesetzt werden, dass Infrastrukturen so aufgebaut werden, dass sie Ressourcen minimieren, dass Material eingespart wird, dass Menschen zum Beispiel Dinge teilen können. Das ist also kein Widerspruch, sondern die gehören alle wunderbar zusammen.“

Laut Wolf Lotter müssen wir die Kultur, wie wir arbeiten und wirtschaften, grundlegend verändern: Statt Mitläufertum müssten künftig konstruktiver Zweifel und Kreativität belohnt werden – und genau das bringen Kreativschaffende mit. Für einen selbstbewussten, organisierten und im wahrsten Sinne eigenverantwortlichen Aufbruch der Kreativen hatte Wolf Potter einleitend in seinem Impuls „Von den Gestörten zu den Gestaltenden: Die Kreative Klasse entscheidet, was sein wird.“ plädiert. Sein Resümee: „Summits wie diesen hier braucht es, damit Leute sich treffen, die nicht einer Meinung sind. Wir müssen lernen, konstruktiv und gut zu streiten und uns vor allen Dingen auch mit dem, was wir vorhaben in dieser Welt, angesichts von KI, aber auch den Multikrisen, so durchzusetzen, dass wir gehört werden. Wir sind heute die wichtigste, entscheidendste ökonomische Kraft, aber die Kreativen glauben immer noch, sie sind irgendwie randständig. Aber das stimmt nicht. Deshalb müssen sich diese Menschen treffen, sich nicht vereinzeln, sie müssen sich organisieren, und sie müssen ihre Kraft und ihre Power mal richtig rauslassen.“

Zum Abschluss sprachen creative.nrw-Projektleiterin Ines Rainer und Svenja Noltemeyer vom Dortmunder Netzwerk Die Urbanisten über unser Projekt creative.challenges, bei dem Kreative mit Unternehmen gemeinsam Lösungen für besondere Herausforderungen erarbeiten. Svenja Noltemeyer, eine Workshop-Teilnehmerin der creative.challenges 2023, berichtete, dass die für den Leverkusener Hightech-Kunststoff-Hersteller Covestro entwickelte Idee eines „Circular City Contest“ zum Thema Kunststoff-Recycling seither weiterentwickelt wurde: Gemeinsam mit mehreren Partnern arbeitet man an einem Antrag für eine Förderung. Die creative.challenges 2024 werden sich um besondere Herausforderungen von Unternehmen und Institutionen im Rheinischen Revier drehen – weitere Informationen folgen bald.

Eine Bildergalerie und einen filmischen Rückblick findet ihr in unserer Mediathek. Alle Teilnehmenden und Interessierten sind zudem eingeladen, sich in einer LinkedIn-Gruppe zu vernetzen und auszutauschen.

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