Julia Pfiffer ist seit 2017 Co-Geschäftsführerin des Games-Publishers und Entwicklerstudios astragon Entertainment. Der Hauptfokus des Düsseldorfer Unternehmens liegt auf anspruchsvollen Working Simulation Games, die sich durch gewaltfreies kooperatives Gameplay in äußerst detaillierten, technischen und realistischen Spielumgebungen auszeichnen. Seit Anfang 2022 ist Pfiffer außerdem stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Verbands der deutschen Games-Branche – game.
Julia Pfiffer
astragon Entertainment
Du nimmst am 6. März 2024 am Eröffnungspanel des ersten German Creative Economy Summit in Hamburg teil. Thema ist „Zwischen Optimismus und Herausforderungen: Kreativwirtschaft in bewegten Zeiten“. Was bewegt die Games-Branche in Deutschland und in NRW aktuell am meisten?
Das enorme Wachstum der Games-Branche während der Corona-Pandemie hat teilweise zu der Erwartung geführt, dass es immer mit zwei- oder gar dreistelligen Wachstumsraten weitergehen wird. Aktuell sind wir eher wieder bei einer normalen Entwicklung angekommen. Das führt derzeit aber bei einigen Games-Unternehmen weltweit zu Sparprogrammen, wozu leider auch der Abbau von Stellen gehört. Es gibt also Herausforderungen, zu denen derzeit auch die schwierige Finanzierungslage gehört, die in Deutschland durch den weiter anhaltenden Förderstopp verschärft wird. Hier zeigt sich, wie wichtig verlässliche Rahmenbedingungen sind. Es gilt: Je schwächer wir hier aufgestellt sind, desto stärker treffen uns die Jahre, in denen das Klima in der internationalen Games-Branche einmal rauer ist. Unser game-Branchenbarometer für die kommenden zwölf Monate zeigt dabei: Häufig bewerten die Games-Unternehmen hierzulande die wirtschaftliche Perspektive für die gesamte Branche negativer als für das eigene Unternehmen. Auch der Games-Markt entwickelt sich derzeit sehr stabil und soll weiterwachsen. Insgesamt kann man daher durchaus positiv in die Zukunft blicken.
Die Games-Branche ist per definitionem offen für neue Technologien, so auch für KI. Wie wird künstliche Intelligenz bei astragon eingesetzt? Verändert es die kreativen Prozesse im Unternehmen und den Einsatz von kreativem Personal?
Sowohl bei astragon als auch bei den Entwicklerstudios, mit denen wir zusammenarbeiten, wird künstliche Intelligenz auf vielfältige Weise eingesetzt, um die Produkte zu verbessern und den Entwicklungsprozess zu optimieren. Ein Beispiel dafür ist die Anwendung von KI-Algorithmen zur Verbesserung der Spielmechanik und der Benutzererfahrung. Darüber hinaus wird künstliche Intelligenz auch für die automatisierte Generierung von Inhalten wie KI-Traffic, Landschaften oder Charakteren genutzt. Dies ermöglicht es, sich auf kreative und innovative Aspekte der Spieleentwicklung zu konzentrieren, während repetitive Aufgaben effizienter erledigt werden können.
In Bezug auf die Veränderung der kreativen Prozesse und den Einsatz von kreativem Personal kann man sagen, dass KI eine unterstützende Rolle spielen kann. Sie ermöglicht es, sich auf anspruchsvollere und innovative Aufgaben zu konzentrieren, anstatt Zeit mit wiederholenden oder zeitaufwändigen Aufgaben zu verschwenden. Dadurch können kreative Mitarbeitende ihr volles Potenzial entfalten und sich auf die Gestaltung einzigartiger Spielerlebnisse konzentrieren.
Als Frau an der Spitze eines der führenden deutschen Games-Unternehmen bist du eher eine Seltenheit, und auch sonst ist die Branche noch stark von Männern dominiert. Wie sieht es bei astragon Entertainment aus? Und welche Rolle spielt das Thema Diversität im game Bundesverband?
Bei astragon Entertainment ist es unser erklärtes Ziel, Diversität und Vielfalt zu fördern und sicherzustellen, dass alle Stimmen gehört werden.
In unserem Unternehmen legen wir großen Wert darauf, dass unterschiedliche Perspektiven vertreten sind. Dies spiegelt sich nicht nur in unserer Führungsdoppelspitze wider, sondern durchzieht das gesamte Unternehmen. Wir glauben fest daran, dass Diversität eine Quelle für Innovation und Kreativität ist.
Um dieses Ziel zu erreichen, setzen wir auf verschiedene Maßnahmen. Dazu gehören Workshops, Initiativen und Aktionen, die das Bewusstsein für das Thema schärfen und zur Förderung von Diversität beitragen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens.
Wir sind stolz darauf, dass unser Team mit 44 Prozent weiblichen, 54 Prozent männlichen und 2 Prozent non-binären Personen eine vielfältige Zusammensetzung aufweist. Diese Vielschichtigkeit und Vielfalt sehen wir als wichtigen Aspekt an, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein. Denn wir sind überzeugt, dass diverse Teams bessere Lösungen entwickeln und eine größere Bandbreite an Ideen generieren können, um die sich stetig wandelnden Anforderungen der Gaming-Branche zu erfüllen.
Das Thema Diversität spielt in unserer Branche und natürlich auch beim game eine große Rolle. Denn klar ist: Diversere Teams sind auf vielen unterschiedlichen Ebenen wichtig. Die Team-Atmosphäre ist besser, und auch die Spiele werden interessanter und bunter, wenn mehr Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen gemeinsam Spiele entwickeln. Für eine diversere und offene Games-Branche wurde daher die Initiative „Hier spielt Vielfalt“ gegründet. Sie stellt das Wertegerüst da, dem sich tausende Mitarbeitende und Unternehmen der deutschen Games-Branche verpflichtet fühlen. Und das Beste: Alle können mitmachen und unsere gemeinsame Erklärung ebenfalls unterschreiben. Ansonsten achten wir beim game bei allen Projekten, an denen wir beteiligt sind, auf das Thema Diversität. Ob bei devcom und gamescom oder dem Deutschen Computerspielpreis: Wir setzen für unsere Events auf Safer Space Policys, klare Ansprechpersonen und achten beispielsweise auch bei der Besetzung von Jurys darauf, dass diese ausgeglichen besetzt sind. Darüber hinaus bietet der game einen Best Practice Guide Diversity an, in dem Games-Unternehmen Tipps und Praxisbeispiele für eine vielfältigere Games-Kultur finden können.
Als Mentorin und Jurymitglied beim Mediengründerzentrum NRW bist du auch nah an der jungen Generation. Was braucht es deiner Meinung nach, um sich auf dem Games-Markt zu behaupten – allgemein und insbesondere als Frau? Welchen wichtigsten Tipp gibst du deinen Mentees mit auf den Weg?
Die Frage nach dem Erfolg auf dem Games-Markt, insbesondere für Frauen, betrachte ich die Frage nach dem Erfolg auf dem Games-Markt, insbesondere für Frauen, als äußerst relevant. Um sich auf diesem Markt zu behaupten, bedarf es neben einem starken Fachwissen auch einer gehörigen Portion Durchhaltevermögen und Selbstvertrauen.
Generell ist es wichtig, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, die Trends und Entwicklungen in der Gaming-Branche im Blick zu behalten und sich stetig zu verbessern. Dabei sollten Frauen sich nicht von Stereotypen oder Vorurteilen abschrecken lassen, sondern selbstbewusst ihre Fähigkeiten und Ideen einbringen.
Ein wichtiger Tipp, den ich meinen Mentees mit auf den Weg gebe, ist es, sich ein starkes Netzwerk aufzubauen. Networking kann entscheidend sein, um Unterstützung zu erhalten, potenzielle Partner oder Investoren zu finden und von den Erfahrungen anderer zu lernen. Es ist wichtig, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu lernen. Darüber hinaus ermutige ich meine Mentees dazu, authentisch zu bleiben und ihren eigenen Weg zu gehen. Jeder hat seine eigenen Stärken und Schwächen: Indem man seinen eigenen Weg geht und sich treu bleibt, kann man nicht nur erfolgreich sein, sondern auch eine positive Veränderung in der Branche bewirken. Es ist wichtig, sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen und immer wieder neue Wege zu finden, um seine Ziele zu erreichen.
Die Klimakrise ist die Herausforderung unserer Zeit. Wie kann die Games-Branche das Thema Nachhaltigkeit vorantreiben? Welche Initiativen gibt es bereits?
Der Games-Branche ist das Thema Umwelt- und Klimaschutz insgesamt sehr wichtig. In der vielfältigen Landschaft der Videospielbranche erreichen Spiele eine breite Palette an Zielgruppen. Als die größte Unterhaltungsbranche hat sie die einzigartige Möglichkeit, wichtige Themen und Herausforderungen in ihren Spielen aufzugreifen und so die öffentliche Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ein gutes Beispiel hierfür sind unsere Spiele wie der Bau-Simulator oder der Bus Simulator, die Aspekte der Nachhaltigkeit und grünen Energie thematisieren. Doch auch in zahlreichen anderen Spielen verschiedenster Genres finden sich gelungene Umsetzungen dieser Idee. International hat sich zu diesem Thema unter dem Dach der Vereinten Nationen die Initiative „Playing for the Planet“ gebildet, die sich gemeinsam mit ihren Mitgliedern für mehr Umwelt- und Klimaschutz in der Games-Branche stark macht. Immer mehr Akteure der internationalen Games-Branche schließen sich hier an, unter anderem auch der game-Verband. Aber auch bei den deutschen Games-Unternehmen spielt das Thema eine wichtige Rolle: Rund drei Viertel von ihnen engagieren sich bereits mit verschiedenen Projekten, um nachhaltiger zu wirtschaften. Dazu gehören Sparmaßnahmen bei Energie und Heizung, die Nutzung von Ökostrom und viele weitere Elemente. Auch bei der gamescom sind die Weichen für ein nachhaltigeres Event längst gestellt: Unter dem Titel „gamescom goes green“ haben die Veranstalter Koelnmesse und der game bereits zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, um den Fußabdruck des größten Games-Events der Welt dauerhaft deutlich zu senken. Das reicht vom Einsatz von Ökostrom über die CO2-Kompensation bis hin zum Green Ticket, über das sich alle Besuchenden an der Aufforstung des gamescom forest beteiligen können, was wiederum ein weiteres großartiges Beispiel für die Umweltinitiativen in der Games-Branche ist.