22. 1. 2025
creative.talk

Walid Nakschbandi
Film- und Medienstiftung NRW

Walid Nakschbandi ist seit dem 1. Januar 2024 Geschäftsführer der Film- und Medienstiftung NRW. Der Rheinländer Nakschbandi kommt von der Holtzbrinck Publishing Group, bei der er seit 1996 national und international tätig war, u.a. als CEO der AVE Gesellschaft für Fernsehproduktion GmbH und zuletzt als Geschäftsführer und Chief Innovation Officer bei den Holtzbrinck Buchverlagen.

Foto: © Film- und Medienstiftung NRW/Hojabr Riahi

Herr Nakschbandi, Sie sind nun seit einem Jahr Geschäftsführer der Film- und Medienstiftung NRW. Wie fällt Ihr persönliches Fazit nach diesem ersten Jahr aus? Wie ist Ihr Eindruck von der Film- und Medienlandschaft in Nordrhein-Westfalen? 

Mein erstes Jahr als Geschäftsführer war unglaublich bewegend und geprägt von intensivem Austausch, vielen Neuerungen und einem großen Aufbruch: Der Umzug von Düsseldorf nach Köln war ein Meilenstein. Hier, mitten in Deutschlands Medienhauptstadt, nehmen wir noch mal den Schwung, den dieser Schritt ausgelöst hat.

Ich habe die Zeit intensiv genutzt: Abteilungen wurden neu strukturiert, Prozesse optimiert, und die Zusammenarbeit mit der Branche in NRW wurde intensiviert. Die gamescom war erneut ein dynamischer Höhepunkt für den Bereich Games und die Branche. Zahlreiche Treffen mit der Games-Branche, den Produzent:innen, Kinobetreiber:innen, Festivalmacher:innen, Creators oder den Distributor:innen sowie Audioproduzent:innen haben gezeigt, wie lebendig und engagiert die NRW-Medienlandschaft ist. Diese Formate werden wir weiter ausbauen, denn sie führen zu sehr fruchtbarem Austausch und Inspiration.

Ob unser Sommerfest, Kinoprogrammpreis, Cannes-, International-Emmys- oder Berlinale-Empfang – bei all diesen Gelegenheiten habe ich eine starke, kreative und zukunftsorientierte Branche erlebt. Natürlich sind die Rahmenbedingungen derzeit anspruchsvoll: Die mühselige Entstehung des aktuellen Filmförderungsgesetzes, die Nachwehen der Pandemie, der Rückzug einiger Streaming-Anbieter oder die Herausforderungen in der Games-Industrie sind spürbar. Aber NRW ist voller mutiger, ideenreicher und tatkräftiger Menschen, die etwas bewegen wollen.

Wir haben viel erreicht, und ich bin überzeugt: Gemeinsam werden wir noch mehr Großartiges schaffen!

Sie haben in Ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn viel Erfahrung mit innovativen Medienstrategien gesammelt. Wie haben Sie diesen Ansatz in Ihre Arbeit bei der Film- und Medienstiftung NRW eingebracht? Gibt es dahingehend konkrete Veränderungen in der Förderpraxis?

Mir geht es bei strategischen Fragen unter anderem immer um Effizienz und Praxisnähe/Praktikabilität. Ein Schwerpunkt liegt darauf, kreative Fördernehmende frühzeitig und umfassend zu unterstützen. Häufig zeigt sich, dass die Drehbuchphase nicht ausreichend durchdacht ist. Deshalb bieten wir jetzt schon in den frühen Entwicklungsphasen verstärkte professionelle Beratung an. Ziel ist es, dramaturgische und inhaltliche Schwächen frühzeitig auszuräumen, bevor diese später den Erfolg eines Projekts gefährden.

Hinsichtlich der Effizienz war ein weiterer wichtiger Schritt die Digitalisierung unserer Förderbank. Das macht die Prozesse für Antragstellende nicht nur effizienter, sondern auch transparenter, von der Antragstellung bis zur Abwicklung. Intern haben wir außerdem digitale Strukturen etabliert, die den Mitarbeitenden mehr Raum für inhaltlich wichtige Aufgaben lassen.

Diese Maßnahmen ermöglichen es der Film- und Medienstiftung NRW, noch schneller und präziser auf die Bedürfnisse der Branche zu reagieren und sicherzustellen, dass unsere Unterstützung in allen Bereichen optimal ankommt.

Filmemachen bewegt sich oft zwischen den Polen Kunst und Wirtschaft. Was ist Ihnen bei der Förderung eines Stoffes wichtiger, die kreative Freiheit oder die wirtschaftliche Rentabilität? Welchen Stellenwert haben kleinere Arthouse-Produktionen?

Mir ist die Relevanz eines Stoffes wichtig! Sei es ein Film, ein Game oder ein Dokumentarfilm. Die Frage ist: Was bewirkt die Geschichte, wen berührt sie, welche Bedeutung hat sie für uns als Gesellschaft und: Wie ist der Vertrieb des Projektes, der Geschäftsidee aufgestellt? Kunst und Wirtschaft schließen sich dabei nicht aus. Ein Film, den niemand sieht, scheitert vielleicht nicht an seiner künstlerischen Ausrichtung, sondern daran, dass er nichts bietet, woran die Menschen anknüpfen können? „Der Junge muss an die frische Luft“ haben 3,7 Mio. Menschen gesehen. Warum? Weil er über die individuelle Lebensgeschichte hinaus kraftvoll ein tiefes Verständnis für das Ruhrgebiet und eine ganze Generation vermittelt – mit einer Wirkung weit über 90 Minuten Kinolaufzeit hinaus.

In diesem Sinne sind kleinere Arthouse-Produktionen genauso wichtig wie großangelegte Mainstream-Projekte. Auch Filme mit kleinem Budget können Menschen bewegen, Diskussionen anstoßen und eine große kulturelle Berechtigung haben. Die wirtschaftliche Rentabilität lässt sich im Kino ohnehin schwer einschätzen. Der wahre Wert eines Films liegt darin, Geschichten zu erzählen, die das Publikum erreichen, unsere Perspektiven erweitern und die Zwischentöne unseres Zusammenlebens offenlegen. Gute Inhalte finden immer ihr Publikum – unabhängig von ihrem Produktionsrahmen.

Sie fördern mit einem Pilotprogramm auch Serious Games und Gamification-Projekte. Welchen Beitrag können solche Projekte für gesellschaftliche Veränderungen leisten?

Der Bereich der Serious Games hat noch einmal andere Möglichkeiten, auf die individuellen Bedürfnisse des Publikums einzugehen. Zum Beispiel können sie Spielende mit Lernschwächen viel besser unterstützen, als klassische Lernmittel das vermögen. Wir haben auch vielversprechende Prototypen gefördert, die beispielsweise Werte wie Inklusion und Teilhabe fördern. Dazu kommen Projekte, die sich gezielt an Frauen richten, um sie zu stärken. Wir leben in einer Zeit, in der rechte Trolle und extremistische Gruppen daran arbeiten, Frauen aus dem öffentlichen Bereich zu verdrängen und den Zugang zu politischen und gesellschaftlichen Diskursen zu verleiden. Das dürfen wir natürlich nicht zulassen.

Wie sehen Sie die Verantwortung der Film- und Medienstiftung NRW bei den Themen Nachhaltigkeit und Demokratieförderung – sowohl in Bezug auf das nachhaltige Produzieren als auch auf die Unterstützung gesellschaftlich relevanter und damit meinungsbildender Inhalte? 

Die Film- und Medienstiftung NRW trägt hier natürlich große Verantwortung – sowohl beim ökologischen Produzieren als auch bei der Unterstützung gesellschaftlich relevanter Inhalte, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung stützen. Bereits seit der Gründung verpflichten unsere Förderrichtlinien dazu, ethische Standards einzuhalten: Menschenverachtende Inhalte fördern wir nicht.

Beim nachhaltigen Produzieren arbeiten wir bundesweit mit anderen Förderinstitutionen zusammen, um ökologische Standards weiterzuentwickeln. Das deckt sich mit dem starken Bedürfnis vieler Kreativer, ihren Beitrag zu leisten, also unterstützen wir sie aktiv beim „grünen Drehen“. Es ist uns wichtig, gemeinsam mit der Branche Schritte in eine nachhaltigere Zukunft zu gehen.

Das Bedürfnis, gesellschaftlich Relevantes zu leisten, spiegelt sich auch in den Ideen, die an uns herangetragen werden: Ob LGBTQ+-Rechte, Identitätsfragen, strukturelle Gewalt oder feministische Perspektiven – die Vielfalt und Tiefe der behandelten Themen zeigt, wie wach und engagiert die Branche ist. Der Holocaust und der Umgang der nachfolgenden Generationen gewinnen wieder mehr an Bedeutung. Auch Themen wie benachteiligte Gesellschaftsgruppen oder die Demokratie als solche werden kreativ bearbeitet. Besonders beeindruckend ist, wie stark sich der Nachwuchs in NRW mit gesellschaftspolitischen Fragen auseinandersetzt. Dieses Engagement unterstützen wir mit Überzeugung, um nachhaltige und werteorientierte Inhalte zu stärken.

Die rasante Entwicklung von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) hat bereits heute großen Einfluss auf kreative Prozesse und bedroht Arbeitsplätze. Wie stehen Sie zur Nutzung von KI in der Film- und Medienbranche? Was tut die Film- und Medienstiftung NRW, um die Rechte der Kreativen zu schützen?

Ich stehe dem grundsätzlich offen gegenüber und betrachte KI-Tools als Sparringspartner. Teilweise kann KI auch neue Arbeitsplätze schaffen. Aber es ist immer ein heftiger Kampf. Die Rechte der Kreativen gilt es unbedingt zu schützen. KI entwickelt sich extrem schnell und weit, scheint aber, wenn man der Wissenschaft glauben darf, gerade einen Punkt erreicht zu haben, wo sich das menschliche Gehirn doch in einiger Hinsicht vorteilhafter zeigt. Wir sind bei all unseren Entscheidungen und Arbeiten natürlich an die rechtlichen Vorgaben gebunden. In diesem Zusammenhang hatten wir schon – und werden weitere anbieten – KI-Workshops für Kreative, in denen genau auf diese rechtlichen Fragen eingegangen wurde und wird. Denn die Regeln ändern sich andauernd, und wir merken, dass der Einsatz dieser Technologie Risiken und Chancen gleichzeitig mit sich bringt. Eigentlich wie immer, wenn etwas Neues kommt.

Nach 33 Jahren in Düsseldorf sind Sie nun seit Ende 2024 in Köln. Was versprechen Sie sich von diesem Schritt für den Medienstandort NRW?

Der Umzug nach Köln war für die Film- und Medienstiftung NRW ein konsequenter Schritt, und wir fühlen uns hier genau richtig aufgehoben. Als Deutschlands führende Medienhauptstadt – für Film und Games – bietet Köln optimale Voraussetzungen für die wichtigste Filmstiftung des Landes. Zwei unserer Gesellschafter sind fußläufig erreichbar, und mit drei Filmhochschulen ist die Stadt ein Hotspot für kreativen Nachwuchs.

Unsere zentrale Lage am Hauptbahnhof macht es außerdem einfach, mit Menschen aus ganz NRW ins Gespräch zu kommen – sei es aus Bonn, Münster oder dem Ruhrgebiet. Wir freuen uns auf den direkten Austausch, neue Begegnungen und darauf, gemeinsam den Medienstandort NRW weiter voranzubringen.

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