22. 7. 2025
creative.talk

Stefanie Waschk & Arne Gels
Fusion Campus

Arne Gels und Stefanie Waschk

Stefanie Waschk ist Hauptgesellschafterin und Geschäftsführerin von Fusion Campus und seit fast 25 Jahren in der Gaming-Industrie tätig. Arne Gels ist ebenfalls in der Geschäftsführung und als Chief Creative Director für die Konzepte und Ideen sowie das Business Development verantwortlich. Mit Fusion Campus befähigen sie mittelständische Unternehmen und Konzerne, das Know-how der Gaming-Industrie zum Erreichen der eigenen Businessziele einzusetzen. Unter anderem bieten sie mit dem vom Land geförderten Innovationsformat „Gaming Goes Industry“ Industrieunternehmen die Möglichkeit, maßgeschneiderte Lösungen für ihre spezifischen Herausforderungen zu entwickeln.

Ihr seid beide inzwischen seit über 15 bzw. 25 Jahren in der Gamesbranche unterwegs, die ersten Jahre auf unterschiedlichen Stationen und mittlerweile gemeinsam, um das Know-how aus der Games-Industrie in anderen Branchen nutzbar zu machen. Was war bei euch die Initialzündung, dass das Gaming-Know-how ein Gewinn für Unternehmen und die Wirtschaft sein kann, und wie hat sich das inzwischen bewiesen?

Stefanie Waschk: Angefangen mit einem an sich kurzen geplanten Abstecher in die Branche bei der Phenomedia, habe ich schnell eine große Leidenschaft für das entwickelt, was Gaming bei der Zielgruppe erreicht, und für die Spiele-Entwickler:innen sowie deren Kreativität, die sich in den Games wiederfindet. Dieser Abstecher dauert jetzt knapp 25 Jahre an. Vor allem die Entwicklung der Branche in den Anfangsjahren hat mir klargemacht, dass hier eine ungeheure Power steckt. Das Mindset und die Psychologie hinter den Games waren für mich Aspekte, die Unternehmen immer wieder fordern, und so habe ich viele Jahre erfolgreich Initiativen geleitet und Projekte für mittelständische Unternehmen und Konzerne umgesetzt, die diesen Transfer ermöglichen und vor über vier Jahren Fusion Campus gegründet. Mit Fusion Campus bringen wir das nun auf ein neues Level.

Arne Gels: Bei der Titus GmbH konnte ich durch eine Logoplatzierung im Game „Tony Hawk’s Skateboarding“ hautnah erleben, wie aufmerksam Gamer:innen sind. Als ich dann die Chance hatte, zu einem Unternehmen zu wechseln, welches in dem Segment der Marketingspiele aktiv war, habe ich die Chance genutzt. Ich bin in der Folge in das Unternehmen eingestiegen und wir haben es immer mehr in Richtung eines der etablierten Serious-Games-Anbieter in Deutschland entwickelt. Ich bin in der Folge in das Unternehmen eingestiegen, und wir haben es immer mehr in Richtung eines der etablierten Serious-Games-Anbieter in Deutschland entwickelt. Als wir das Unternehmen 2015 an TÜV Rheinland verkauft haben, konnten mein Geschäftsführerkollege und ich auf deutlich über 50 Projekte und einige Leuchtturmprojekte am Markt zurückblicken. Die KPI, die wir mit unseren Kunden jetzt bei Fusion Campus erreichen, zeigen uns, wie richtig wir mit unserer Entscheidung für den Transfer von Gaming in andere Branchen liegen.

Mit Fusion Campus seid ihr inzwischen eine etablierte Anlaufstelle für Unternehmen aller Art, die Lust darauf haben, Potenziale aus dem Gaming für sich nutzbar zu machen. Welche konkreten Angebote habt ihr, und auf welche Erfolgsgeschichte seid ihr besonders stolz?

Stefanie Waschk: Bei Fusion Campus sind wir so aufgestellt, dass wir uns erfreulicherweise nicht auf einen Bereich beschränken müssen. Wir bündeln Erfahrung aus über 150 Konzepten und Projekten: Von Serious Games, Simulationen, Planspielen über Gamification bis hin zu Game-Based-Learning haben wir alles schon mehrfach erfolgreich umgesetzt. Arne und ich in vorderster Front ergänzen uns da sehr gut, ich verantworte bei uns die Expertise im Bereich der Technologie und der Projektmanagement-Methoden, Arne ist für den kreativen Part und die Konzepte im Lead. Gemeinsam mit unserem Team schaffen wir so individuelle Lösungen für die unterschiedlichsten Herausforderungen unserer Kunden. Von Recruiting, Employer Branding und Talent- and Succession Management bis zu Prozess-, Innovations- und Changemanagement ist eigentlich alles dabei, wo wir den Status Quo unserer Kunden in eine gewünschte Richtung verändern.

Arne Gels: Das Schöne an der Aufstellung von Fusion Campus ist, dass wir in Lösungen und nicht Produkten denken können. Wir sind Ideengeber und Initiator und starten daher auf der „grünen Wiese“. Wir sind nicht die Umsetzer, bleiben aber bis zum Go-Live aktiv an Board. Wenn wir mit unseren Kunden gemeinsam die richtige Lösung gefunden haben – und da kommt in den seltensten Fällen tatsächlich ein Spiel heraus, oft sind es mehr die Methoden und Mechaniken, die wir nutzbar machen –, schauen wir in unserem Netzwerk nach den Unternehmen, die hierfür die richtige Kompetenz aufweisen, und gehen mit diesen zusammen in die Umsetzung. Das spart Ressourcen auf allen Seiten und sichert die anvisierten Ziele und Ergebnisse ab.

Stefanie Waschk: Gerade diese gute Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Games-Branche ist etwas Besonderes. Wir sind kein Wettbewerb für den Markt, wir sind Förderer, da wir als objektiver Partner neue Türen öffnen. Und wie Arne schon angeführt hat, können wir mit den Ergebnissen überzeugen, da nicht nur Ziele erreicht wurden, sondern die Ergebnisse auch in wirtschaftlicher Hinsicht für die Unternehmen einen klaren ROI aufweisen.

Die Bewerbungsfrist für euer Innovationsprogramm „Gaming goes industrie“, das vom Land NRW gefördert wird, läuft noch bis zum 20. August 2025. Warum ist die öffentliche Förderung von solchen Formaten wichtig, und was können vielleicht auch die Politik oder die Verwaltung von Gaming lernen?

Stefanie Waschk: Obwohl an vielen Stellen schon darüber gesprochen wurde, dass das Know-how der Games-Industrie für Unternehmen und Organisationen sowie Kommunen einen Vorteil darstellt bei der Aufstellung für die Zukunft, fehlt an vielen Stellen noch die endgültige Überzeugung. Das liegt teilweise auch daran, dass Projektergebnisse durch Vorgaben der beauftragenden Unternehmen nicht veröffentlicht werden dürfen und somit positive Ergebnisse verborgen bleiben. Mit dem Programm setzen wir auf die Kommunikation solch positiver Ergebnisse, damit insgesamt mehr Vertrauen in das Thema gesteckt und klar wird, dass diese Lösungen auf unternehmerische KPI einzahlen. Die Gamesbranche ist mittlerweile die erfolgreichste Unterhaltungsbranche der Welt, das muss man auch im unternehmerischen Kontext berücksichtigen.

Arne Gels: Ganz richtig. Das Mediennutzungsverhalten können und sollten Unternehmen und die Politik nicht ignorieren. Wenn es eine Branche schafft, in Deutschland über 38 Millionen Menschen zu erreichen, davon 79 Prozent über 18 Jahre, und diese bei neuen Lösungen innerhalb weniger Minuten mit der Bedienung, der Storyline und Zielsetzungen vertraut zu machen, dann liegen hier auch Potenziale für die deutsche Wirtschaft. In der Betrachtung bewegen wir uns bei den Lösungen aktuell noch zu sehr im klassischen Personalbereich und bei eher weichen Themen. Diese werden in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten eher zurückgestellt. Wir bei Fusion Campus sehen jedoch die tatsächlichen Potenziale in den Prozessen und Strukturen, die verändert werden und damit messbare und (wirtschaftlich) nachweisbare Vorteile liefern. Darauf möchten wir gemeinsam mit der Staatskanzlei das Augenmerk richten und Anreize für Unternehmen setzen, die eigene Weiterentwicklung auch mit neuen Perspektiven voranzutreiben. Das Zusammenspiel der Kreativbranche mit der Wirtschaft wird den Standort stärken und Innovation fördern.

Ähnlich wie ihr bringen wir mit unserem Cross-Innovationsformat creative.challenges kreative Akteur:innen mit Unternehmen aus NRW in eine direkte Kooperation, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Aus unserer Sicht wird mit den zunehmenden und vor allem immer komplexeren Herausforderungen die cross-innovative Zusammenarbeit immer wichtiger. Wie schätzt ihr das ein, und worin seht ihr aktuell die größten Pain Points bei den Unternehmen?

Stefanie Waschk: Arne hat es ja eben schon angeführt, Weiterentwicklung entsteht durch Perspektivwechsel. Und eine Kreativbranche wie die Games-Branche versteht es, die Nutzenden in den Fokus zu stellen. Ein Aspekt, den nicht nur der Wandel des Arbeitsmarktes immer mehr fordert, auch in der Zusammenarbeit steht dieser immer mehr im Zentrum der Anforderungen. Insofern ist es wichtig, dass wir über den eigenen Tellerrand schauen und das, was andere Branchen erfolgreich macht, mit den eigenen Themen für neue Lösungsansätze in Verbindung setzen.

Arne Gels: Die deutsche Wirtschaft steht durch technologischen Fortschritt, weltwirtschaftliche sowie politische Entwicklungen und den Fachkräftemarkt vor großen Herausforderungen im globalen Wettbewerb. Dafür müssen Lösungen gefunden werden. Steffi und ich machen ja seit mehr als 15 Jahren nichts anderes, als zur Lösungsfindung den Transfer von Know-how aus der Kreativbranche in andere Wirtschaftsbereiche zu fördern. Insofern stimmen wir eurer These natürlich vollkommen zu. Wir können uns nur verändern, wenn wir neue Wege gehen. Und über entsprechende cross-innovative Zusammenarbeiten sammeln beide Seiten wichtige Erfahrungen. Auch in der Kreativwirtschaft können wir von der klassischen Wirtschaft lernen. Konnektivität wird nicht umsonst zu einem der wesentlichen Treiber der Zukunft auserkoren – wir verstehen das nicht nur in digitalen Netzwerken, sondern vor allem in Netzwerken über bestehende Strukturen hinaus. Wenn wir zur Optimierung des Status Quo darauf einzahlende Kompetenzen kombinieren, die für sich bereits eine Stärke entwickelt haben, entstehen daraus neue Kompetenzen.

Die Software- und Gamesbranche ist einer der umsatzstärksten Teilmärkte der Kreativwirtschaft. Wie nehmt ihr die Branche aktuell wahr, vor welchen Herausforderungen steht sie?

Stefanie Waschk: Nach sehr erfolgreichen Jahren in der Corona-Pandemie mit einem starken Wachstum befindet sich die Games-Branche aktuell in einer kleinen Sondierungsphase. Auch hier verändert neue Technologie, verändern Nutzendenanforderungen das Setting, und die Unternehmen müssen sich den Veränderungen anpassen. Die Erwartungshaltung der Zielgruppe wächst. Die Games-Branche besteht aus mehr als nur dem spielerischen Angebot: Es sind die Communities, die plattformübergreifenden Konzepte und die mitreißenden Storylines, die sie so erfolgreich machen. Grundsätzlich – das haben Arne und ich an mehreren Stellen bereits angeführt – ist gerade die Games-Industrie eine, die das schnell durchdringt und sich entsprechend ausrichtet. Das fordert jedoch Innovationen. Insofern ist es auch hier wichtig, die Rahmenbedingungen in Deutschland so anzupassen, dass die deutsche Branche im weltweiten Wettbewerb mithalten kann.

Arne Gels: Ganz genau. Die Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb haben sich in den letzten Jahren sicher nicht verbessert. Wir erleben gerade zu Recht viele Diskussionen rund um den bürokratischen Aufwand. Deutschland zählt insgesamt nicht mehr zu den innovativsten Standorten, und das wirkt sich auch auf die Gamesbranche aus. Wir können auf ein paar wenige Unternehmen aus Deutschland schauen, die im internationalen Wettbewerb mitmischen. Die ganz große Musik – und das gilt auch im Bereich der Newcomer – wurde in den letzten Jahren jedoch eher woanders gespielt. Der Gamesmarkt entwickelt sich rasant weiter. Wir brauchen kreative Köpfe, die hier in Deutschland den Fortschritt mitdenken und auch die Rahmenbedingungen dafür vorfinden. Das beinhaltet neben branchenspezifischen Förderprogrammen auch eine gründendenfreundlichere Bürokratie und einen positiveren gesellschaftlichen Diskurs zur Games-Branche.

Bald ist ja auch wieder die gamescom in Köln. Der gamescom congress am 21. August 2025 befasst sich mit der Frage, inwieweit Games über die reine Unterhaltung hinaus als treibende Kraft für Innovation, gesellschaftlichen Fortschritt und Wohlbefinden wirken können. Was wäre eure Antwort darauf?

Arne Gels: Wir freuen uns schon sehr auf die gamescom und den zugehörigen congress – das sind jedes Jahr natürlich Highlight-Termine für uns. Wir tragen auch dieses Jahr mit einem Impuls zum Congress-Programm bei, stellen zusammen mit TK Elevator den durch uns konzipierten neuen Bewerbungsprozess für Auszubildende vor. Bereits nach drei Monaten könnten wir beeindruckende Zahlen aufweisen in einem Prozess ganz ohne Zeugnis, Anschreiben und Wartezeiten für die Top-Kandidat:innen und mit viel Arbeitgebermarken-Erlebnis. Solche Beispiele des Congress-Programms sorgen für Verständnis, wie wir mit unseren Kunden das in den Mittelpunkt stellen, was für die gewünschten Ergebnisse wesentlich ist. Das Vorbild für die Lösung war dabei ganz klar die Games-Industrie, jedoch nicht aus Unterhaltungsgründen, sondern weil sie Aspekte verstanden hat, die auch für das Nutzungserlebnis im Bewerbungsprozess wichtig sind.

Stefanie Waschk: Das diesjährige Motto des gamescom congress beschreibt natürlich sehr gut unsere Mission. Wir haben in diesem Interview sicher schon einiges dazu gesagt. Vielleicht mache ich daher lieber auf ein Event aufmerksam, welches diese These unterstützt. Seit einigen Jahren veranstalten wir gemeinsam mit Peter Kreutter von der WHU – Otto Beisheim School das Format „corporates@gamescom“, ein Format, bei dem wir einer kleinen Gruppe von Entscheider:innen aus Unternehmen und Organisationen das Erlebnis gamescom ermöglichen. Neben einer praxisnahen Podiumsdiskussion, warum Gaming und Business ein „Match“ sind, findet eine Führung durch uns über die gamescom statt. Die Feedbacks zeigen uns, dass das Eintauchen in die Welt des Gamings völlig neue Perspektiven fördert und fordert. Die Teilnehmenden gehen zumeist völlig beeindruckt, jedoch auch – ob der vielen Eindrücke – geschafft nach Hause. Danach fängt es bei den Teilnehmenden an zu arbeiten, und die Überlegungen, was man daraus für das eigene Business lernen kann, beginnen. Das macht ein wenig die Kraft deutlich, die entsteht, wenn wir uns das, was die Games-Industrie erfolgreich macht, genauer anschauen und aus dem klassischen Blickwinkel der Unterhaltung ausbrechen.

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