19. 12. 2024
creative.talk

Sabine Voggenreiter
PASSAGEN / Büro Voggenreiter

Sabine Voggenreiter

Sabine Voggenreiter gestaltet und kuratiert Ausstellungen, vergibt Stipendien, veranstaltet Wettbewerbe, Workshops sowie Symposien im Bereich Design, Architektur, Stadtentwicklung und Kunst. 1989 gründete sie das jährlich stattfindende Designfestival PASSAGEN. Mit rund 150 dezentralen Ausstellungen im ganzen Kölner Stadtgebiet hat es sich zur größten deutschen Designveranstaltung entwickelt. Die PASSAGEN Interior Design Days Köln finden vom 10. bis 16. Januar 2025 statt. creative.nrw ist mit dem creative.studio erstmals als Aussteller mit dabei und präsentiert Produkte von aufstrebenden Kreativen aus Nordrhein-Westfalen.

Das Designfestival PASSAGEN hält sich seit seiner Gründung 1989 wie ein Fels in der Brandung der deutschen Interior-Design-Szene und hat auch den Corona-Jahren mit Verschiebungen und Alternativprogrammen getrotzt. Worin besteht das Geheimnis ihres Erfolges?

Ein Geheimnis ist es wohl nicht. 😉 Ich denke, da spielen mehrere Faktoren eine Rolle: die Kontinuität, das Konzept, das auf einem breiten Themenspektrum von High-End-Design über Architektur und Urbanismus bis zu Autorendesign und Handwerk beruht, und eine intensive langfristige Zusammenarbeit mit den Partner:innen und Teilnehmer:innen übers Jahr mit Beratung, Locationvermittlung und Kommunikation sowie die fortwährende Entwicklung von speziellen Formaten wie DESIGNERS FAIR für produzierende Designer:innen oder CARTES BLANCHES für kuratierte up-and-coming Kölner Designstudios …

Die PASSAGEN finden in der Regel zeitgleich zur Internationalen Möbelmesse imm cologne statt, einer der wichtigsten Fachmessen weltweit. Nun wurde die Messeausgabe für 2025 aufgrund der aktuell schlechten Marktsituation abgesagt. Zukünftig will man ein neues Konzept verfolgen.* Was bedeutet die Absage für die Möbelbranche in Deutschland, insbesondere den Standort Köln/NRW, und den internationalen Markt?

Es ist selbstverständlich schade, für die deutsche und die NRW-Szene und die Design- und Möbel-Wirtschaft insgesamt, dass die imm abgesagt wurde und so auch nicht mehr an den Start gehen wird. Für die Stadt Köln ist der Verlust besonders schmerzhaft, einmal schon aus Imagegründen – immerhin ist Köln eine oder sogar die Möbelstadt in Deutschland –, aber der Schaden ist auch wirtschaftlich gesehen immens, denn der Effekt für die Kölner Geschäfte, Handwerker, Händler, Gastronomie und andere Gewerke (die sogenannte Umwegrendite) bleibt aus, ein großer Umsatzeinbruch und ein heftiger Dämpfer für diese Unternehmen und auch Freiberufler:innen und gestaltende Kleinunternehmen, der die Stimmung in Köln in Wirtschaft, Kultur und Kreativwirtschaft schwer eintrübt. Die PASSAGEN 2025 halten selbstverständlich dagegen: Hier ist die Stimmung gut und es macht sich eine Aufbruchstimmung breit im Sinne von „Jetzt erst recht!“ – auch ohne Messe, auch in Zukunft. Da findet nun eine Transformation statt.

Mit der Absage der Messe fällt auch ein wichtiges internationales Publikum für die PASSAGEN weg. Welche Auswirkungen hat das auf das Designfestival? Wie war die Reaktion der teilnehmenden Designer:innen und Aussteller:innen?

Die PASSAGEN haben und hatten auch schon immer ein eigenes Publikum, darunter Kultur- und Designinteressierte, auch die sogenannten Endkund:innen, die direkt kaufen, Leute, die sich auch gerne inspirieren lassen möchten und den Kontakt zu den Urheber:innen suchen, Design entdecken, Atmosphäre schnuppern möchten. Die Designer:innen und Aussteller:innen genießen das ebenfalls und dazu eine zwanglosere Stimmung, eine unaufwendigere und nachhaltigere Präsentationsform, das direkte Echo auf ihre Entwürfe, die Diskussionen und den Austausch auch untereinander sowie mit einem Fachpublikum, bestehend aus Hersteller:innen, Auftraggeber:innen, Agenturen, Einrichtungsszene, Presse und anderen Medien – es ist ein internationales Publikum, in dem sich deutschlandweite und regionale Besucher:innen mit Besucher:innen aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Italien, Polen mischen.

Gibt es deinerseits und seitens der Messe Pläne, neue Partnerschaften einzugehen?

Wir sprechen miteinander, und vielleicht ergeben sich daraus auch gemeinsame Formate, die man zusammen entwickeln möchte, das müssen wir sehen – es ist vieles in Bewegung. Wir jedenfalls werden den unabhängigen Weg, den wir ja immer beschritten hatten, weitergehen und uns thematisch und nachhaltig weiterentwickeln. Auch Partnerschaften mit anderen und übergeordneten Designinstitutionen sind möglich und werden derzeit besprochen. Und die Stadt Köln und auch das Land NRW wollen das Thema Design, kulturell und wirtschaftlich, in Köln stark halten. Zusammenarbeit ist jetzt wichtiger denn je.

Die Möbelbranche steht augenscheinlich aktuell vor großen Herausforderungen, sei es durch steigende Kosten, Lieferkettenprobleme, Nachhaltigkeitsanforderungen oder verändertes Konsumverhalten. Wie spiegelt sich diese Situation in den Konzepten und Inhalten der Passagen 2025 wider?

Ja, das wird sich widerspiegeln, allein schon in den Gesprächen und Diskussionen. Allerdings sind die Herausforderungen divers, sie treffen nicht jeden/jede in gleichem Maße. Man wird bei den Aussteller:innen sehr unterschiedliche Arten sehen, auf die Lage zu reagieren – manche reagieren mit „Weniger ist mehr“, mit Nachhaltigkeit, mit Differenzierung, mit Kooperationen, mit Humor, das auch!

Wir sind dieses Jahr das erste Mal mit dabei und präsentieren mit unserem creative.studio Newcomer-Designer:innen aus NRW. Wie ist der Nachwuchs darüber hinaus auf den PASSAGEN präsent? Gibt es spezielle Formate?

Ja, schön, dass ihr dabei seid! Wir haben eigentlich schon immer junge oder nicht mehr so ganz junge up-and-coming Designer:innen mit dabei, darunter die Ehrenfelder Szene, die handwerklich produzierenden Designer:innen auf der DESIGNERS FAIR und nun im dritten Jahr im Programm CARTES BLANCHES, zwölf von uns kuratiere Kölner Designstudios, die sich ebenfalls im gesamten Kölner Stadtgebiet in ihren Studios oder an designaffinen Orten präsentieren (unterstützt von unserem Hauptsponsor KölnBusiness).

Mit dem dezentralen Konzept der PASSAGEN und anderen Projekten wie dem DQE Design Quartier Ehrenfeld haben Sie gezeigt, wie eng Design, Architektur und nachhaltige Stadtentwicklung zusammenhängen. Welche Rolle spielt die Kreativwirtschaft Ihrer Meinung nach bei der nachhaltigen Transformation urbaner Räume?

Eine sehr große, nicht hoch genug einzuschätzende Rolle – ein Thema für eine/meine Doktorarbeit. 😉 Das beinhaltet urbane Produktion, Zusammenarbeit, Teilhabe, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften in Gemeinschaften, andere und gemeinsame Konzepte von Handwerk, Design, Architektur, Bildung, neue Handelskonzepte und neue Wertschöpfungsformate, das nur kurz.
Wir entwickeln aktuell dazu zusammen mit der Stadt Köln und KölnBusiness ein Reallabor, das demnächst in einem ganz besonderen Kölner Viertel starten soll. Bald mehr dazu.

* Die Koelnmesse hat zwei neue Formate angekündigt. Vom 26. bis 29. Oktober 2025 finden die idd cologne –interior design days cologne statt, eine exklusive Plattform für den Premiumbereich. Vom 20. bis 23. Januar 2026 lädt eine neu konzipierte imm cologne nach Köln.

Mehr Infos zu den PASSAGEN

Mehr Infos zu creative.studio @ PASSAGEN