23. 10. 2025
creative.talk

Martina Fineder-Hochmayr
Bergische Universität Wuppertal

Martina Fineder-Hochmayr

Prof. Dr. Martina Fineder-Hochmayr ist Produktdesignerin, Design- und Kulturwissenschaftlerin und seit Juni 2019 Professorin für Designtheorie und Designforschung an der Bergischen Universität Wuppertal (BUW). Gemeinsam mit Prof. Dr. Christa Liedtke (Wuppertal Institut), Carolin Baedeker (Wuppertal Institut) und Prof. Erica Moeller (BUW) leitet sie das Verbundprojekt transform.NRW, bei dem auch creative.nrw als Kooperationspartnerin mitwirkt. Ziel ist die Entwicklung einer hybriden Plattform, die Kunst, Kultur, Design und Wissenschaft über die Darstellung von Best Practices mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in den Austausch bringt, um sozial-ökologische Transformationen voranzutreiben. Am 13. und 14. November 2025 findet das erste transform.NRW Symposium in der Bundeskunsthalle Bonn statt.

Foto: David Meran

transform.NRW versteht Kunst, Kultur und Design als Motoren sozial-ökologischer Transformation. Was bedeutet das für dich konkret? Welche besondere Rolle können Gestalter:innen hier spielen – insbesondere in Zeiten, in denen das Thema Nachhaltigkeit in der Politik und in Teilen der Gesellschaft an Relevanz verliert?

Wir sind davon überzeugt, dass Gestaltung helfen kann, die positiven Wirkungen sozial-ökologischer Transformation (und auch ihre Notwendigkeit) sinnlich erfahrbar und nachvollziehbar zu machen – also nicht nur theoretisch, sondern auch spürbar, sichtbar und anfassbar, durch Bilder, Filme, Objekte, Räume und Infrastrukturen, aber auch durch Performatives, das wieder vergeht. Gerade wenn Nachhaltigkeit in Politik oder Gesellschaft an Aufmerksamkeit und Relevanz verliert, können Gestalter:innen gemeinsam mit Wissenschaftler:innen und der Politik neue Leitbilder- und -objekte schaffen, auf die man sich wieder verständigen kann. Wichtig ist dabei, dass diese nicht von oben diktiert werden, sondern in co-kreativen Prozessen partizipativ entstehen – damit sie wirklich geteilt, verstanden und weitergetragen werden können.

Herzstück des Projekts ist ein digitaler Hub mit rund 100 Good-Practice-Beispielen, Methoden und Toolkits. Wie genau wird dieser Hub funktionieren – und welchen Mehrwert sollen Kreativschaffende daraus ziehen können?

Diese Sammlung ist das Herzstück des Projekts, genau – sie zeigt, was bereits in NRW entstanden ist oder gerade entsteht, lädt zur Vernetzung ein und regt dazu an, eigene Ideen und Projekte weiterzuentwickeln. Gerade für Nachwuchsgestalter:innen eröffnet sie Einblicke in unterschiedliche Herangehensweisen und Denkweisen des Gestaltens, die aus der Zusammenarbeit mit den Nachhaltigkeitswissenschaften entstehen können.
Gleichzeitig ist der digitale Hub weit mehr als eine inspirierende Übersicht von Good-Practice-Beispielen. So machen wir zum Beispiel auch nachvollziehbar, wie Projekte transformative Wirkung entfalten können und welche Personen und Prozesse dahinterstehen. Dafür haben wir unterschiedliche Formate entwickelt – zum Beispiel Porträtfilme, aber auch eine neue Methode und ein Format, mit denen wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartner:innen und weiteren interessierten Akteur:innen diese Beispiele analysieren und sichtbar und nachvollziehbar machen, wie sie arbeiten und wirken. Dabei wenden wir das sogenannte „Map/ing Sustainability“ im Rahmen verschiedener Online- und Live-Formate an. Dieses Erfahrungs- und Gestaltungswissen werden wir offen und praxisnah teilen: Methoden wie Formate werden später als Open Source über die Plattform zugänglich sein. Gemeinsam mit unseren Partner:innen vom Designbüro dform aus Wien entwickeln wir dafür gut nachvollziehbare Erklärvideos, die dazu einladen, die Tools anzuwenden und ins eigene Tun zu kommen.

Das Projekt setzt stark auf inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit. Welche Chancen siehst du darin, wenn Kreative, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft gemeinsam an Transformationsfragen arbeiten?

Ich bin überzeugt, dass Vielfalt, Diversität und Pluralismus gut sind – vor allem in der Art, wie wir Transformation gestalten sollten. Wenn Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen, Kontexten und Kulturen zusammenkommen, entstehen Perspektiven, die allein gar nicht denkbar wären. Gerade in diesen unerwarteten Mischungen entfaltet sich eine besondere Kraft und Energie – vorausgesetzt, man bleibt offen für den Prozess und die Reibungen, die damit einhergehen. Solche Kooperationen sind freilich auch anstrengend und zeitintensiv, weil sich alle erst in ihren Arbeitsweisen, Methoden und auch Sprachen annähern müssen. Die sind oft speziell. Aber genau darin liegt der Wert: In dieser gemeinsamen Auseinandersetzung entstehen neue Arbeitskulturen und Formen des Miteinanders, die Transformation nicht nur zum Thema machen, sondern selbst praktizieren.

Im November findet das erste transform.NRW Symposium in Bonn statt. Was erwartet die Teilnehmenden – und wie fügt sich die Veranstaltung in den Entwicklungsprozess der Plattform ein?

Viele sehr inspirierende Menschen, die daran glauben, dass wir gemeinsam eine sozial-ökologische Transformation hinbekommen können und es machbar ist, für alle ein gutes Leben innerhalb unserer planetaren Grenzen zu ermöglichen – auch wenn das eine große Herausforderung darstellt und noch dauern wird.
Mit diesen wertvollen Inputs entwickeln wir die Plattform weiter, bis wir sie Ende 2026 öffentlich zugänglich machen.

In deiner eigenen Forschung beschäftigst du dich u.a. mit den sozialen Aspekten von Design, z.B. mit Design- und Konsumkulturen, mit Gemeinwohl-Logiken und der Rolle von Dingen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Gibt es ein konkretes Projekt im Rahmen von transform.NRW, das diese Themen aufgreift und welches du besonders spannend findest?

Da gibt es einige, jedes begeistert mich auf seine Art und Weise, mal eher aufgrund des sozialen Engagements, mal wegen der ökologischen Wirkung und dann natürlich am meisten, wenn beides zusammenwirkt. Aber am wichtigsten ist für mich die Art, wie wir zusammenarbeiten: inter- und transdisziplinär, im Dialog, kritisch, aber immer offen und respektvoll – und mit einer guten Balance aus analog und digital.

Das Projekt läuft bis 2027 und wird am Ende in einer Ausstellung präsentiert. Was ist eure Vision: Welche Wirkung soll transform.NRW bis dahin entfaltet haben?

Es soll ganz viele unterschiedliche „Myzelienfäden“ gebildet haben – in NRW, in Deutschland und dann später darüber hinaus, damit ein tragfähiges Netzwerk entsteht.

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